VG Bayreuth | B 1 K 09.358 | 01.06.2010
- Details
- vom Dienstag, 01. Juni 2010 02:00
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Gericht: | |
Verwaltungsgericht Bayreuth (VG Bayreuth) | |
Aktenzeichen: | Entscheidungsdatum: |
B 1 K 09.358 | 01.06.2010 |
Spruchkörper: | Entscheidungsform: |
1. Kammer | Urteil |
ECLI: | |
ECLI:DE:VGBAYRE:2010:0601.B1K09.358.0A | |
Normen: | Jur. Bedeutung: |
- | |
Schlüsselwörter: | Volltext: |
V-SUCHEStraftat, Waffenbesitzkarte, Straftaten, Erlaubnis, Geldstrafe, Zuverlässigkeit, Unzuverlässigkeit, Jagd, Überlassen, Munitionserwerb | |
Referenz: | Permalink: |
LDJR 2010, 5395 https://lexdejur.de/ldjr5395 | LINK (+/-) |
Zitierweise: | Tipp: |
VG Bayreuth, Urteil vom 01. Juni 2010 - B 1 K 09.358 [ECLI:DE:VGBAYRE:2010:0601.B1K09.358.0A] - lexdejur VG Bayreuth, Urteil vom 01. Juni 2010 - B 1 K 09.358 - lexdejur | ECLI (+/-) |
Entscheidungstext
[ECLI:DE:VGBAYRE:2010:0601.B1K09.358.0A]
LDJR 2010, 5395
V o r s p a n n
In der Verwaltungsstreitsache
- Kläger -
g e g e n
Landratsamt Bayreuth [...],
- Beklagte -
w e g e n
Waffenrechts (Widerruf von Waffenbesitzkarten)
erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Bayreuth, 1. Kammer, [...] aufgrund mündlicher Verhandlung vom 1. Juni 2010 folgendes Urteil:
T e n o r
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
- [1]
- Der Kläger ist Inhaber der am 28.02.1974 ausgestellten Waffenbesitzkarte Nr. 1177/74 und der am 15.12.1994 ausgestellten Waffenbesitzkarte Nr. 6298/94. In diesen Waffenbesitzkarten sind zurzeit sechs Langwaffen, zwei Kurzwaffen sowie der Munitionserwerb zur Waffe laufende Nr. 7 (Revolver .357 magn.) eingetragen.
- [2]
- Mit Urteil des Amtsgerichts Hof vom 26.05.2008, rechtskräftig seit dem 26.05.2008, wurde der Kläger wegen Betrugs in 34 Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt. Nach dem Anklagesatz der Staatsanwaltschaft Hof vom 11.12.2006, auf den das gemäß § 267 Abs. 4 StPO abgekürzte Strafurteil verweist, war dem Kläger seit dem 31.12.2001 bekannt, dass die Liquiditätsreserven des von ihm geführten Unternehmens vollständig aufgebraucht waren und eine Liquiditätslücke von 89,5 % entstanden war, die bis zum 30.06.2002 auf 93,3 % angewachsen war und nicht mehr beseitigt werden konnte. Trotz umfangreicher Bemühungen war es den Geschäftsführern in der Folgezeit nicht mehr gelungen, der Gesellschaft die benötigte Liquidität zur Begleichung der Verbindlichkeiten zuzuführen. Trotz Kenntnis dieses Sachverhalts bestellten die Geschäftsführer für das Unternehmen in mehreren Fällen unter Vortäuschung der Zahlungsfähigkeit Waren bei Lieferanten oder erteilten Aufträge für Dienstleistungen. Dieses Verhalten setzte der Kläger auch nach dem Ausscheiden der Mitgeschäftsführer am 24.01.2003 weiterhin fort und kam erst am 20.03.2003 seiner spätestens seit dem 01.01.2002 bestehenden Verpflichtung nach, einen Insolvenzantrag über das Gesellschaftsvermögen zu stellen. Der Kläger wurde deshalb wegen vorsätzlich unterlassener Insolvenzantragstellung und Betrugs in 60 tatmehrheitlichen Fällen sowie Betrugs in 31 weiteren tatmehrheitlichen Fällen angeklagt. Verurteilt wurde der Kläger wegen Betrugs in 34 Fällen. Die weiteren Betrugsfälle mit einem angeklagten Schaden von nicht mehr als 600,00 EUR sowie die angeklagte Insolvenzverschleppung wurden gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt. Das Amtsgericht stellte fest, dass der Angeklagte in allen Fällen nach umfangreichen Sanierungsbemühungen jeweils nur mit bedingtem Vorsatz gehandelt habe.
- [3]
- Nach Anhörung des Klägers widerrief das Landratsamt Bayreuth mit Bescheid vom 08.04.2009 die dem Kläger erteilten Waffenbesitzkarten (Ziffer I des Bescheides), verpflichtete den Kläger innerhalb von vier Wochen nach Zustellung des Bescheides die Waffenbesitzkarten an das Landratsamt zurückzugeben (Ziffer II 1 des Bescheides), die in den Waffenbesitzkarten eingetragenen Schusswaffen sowie die Munition dauerhaft unbrauchbar zu machen oder einem Berechtigten zu überlassen (Ziffer II 2 des Bescheides) und das Unbrauchbarmachen bzw. Überlassen an einen Berechtigten dem Landratsamt innerhalb gleicher Frist nachzuweisen (Ziffer II 3 des Bescheides) und für den Fall des Überlassens an einen Berechtigten dem Landratsamt Name und Anschrift des Erwerbers bekannt zu geben (Ziffer II 4 des Bescheides). Für den Fall der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs wurde die Frist bis zum Ablauf von 4 Wochen nach Bestandskraft verlängert. Die sofortige Vollziehung der Ziffer II des Bescheides wurde angeordnet und für den Fall, dass die verfügten Anordnungen nicht bzw. nicht termingerecht erfüllt werden, Zwangsgelder von je 500,00 EUR (hinsichtlich der Anordnung II 1 und II 2) sowie jeweils 250,00 EUR (hinsichtlich der Anordnungen II 3 und II 4) für fällig erklärt.
- [4]
- Zur Begründung führte das Landratsamt im Wesentlichen aus, dass waffenrechtliche Erlaubnisse zu widerrufen seien, wenn nachträglich Tatsachen einträten, die zur Versagung der Erlaubnisse hätten führen müssen. Voraussetzung für eine waffenrechtliche Erlaubnis sei die erforderliche Zuverlässigkeit. Diese Zuverlässigkeit besäßen in der Regel Personen nicht, wenn sie wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen verurteilt worden seien und seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung fünf Jahre noch nicht verstrichen seien. Dies sei der Fall, da der Kläger mit Urteil des Amtsgerichts Hof vom 26.05.2008, rechtskräftig seit dem 26.05.2008, wegen Betrugs in 34 Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt worden sei. Nach dem amtsgerichtlichen Urteil sei dabei Vorsatz in der Form des bedingten Vorsatzes gegeben gewesen. Da seit der Rechtskraft des Urteils noch keine fünf Jahre verstrichen seien, müssten die Waffenbesitzkarten widerrufen werden. Es seien keine Tatsachen ersichtlich, die ein Abweichen von der Regelvermutung rechtfertigen könnten. Nach der eindeutigen gesetzlichen Regelung reiche bei einer vorsätzlichen Straftat selbst bei einer erstmaligen Verfehlung alleine die Bestrafung mit einer Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen aus, um die Regelvermutung der fehlenden Zuverlässigkeit greifen zu lassen. Wer ein derartiges Delikt begehe, gebe nach der gesetzgeberischen Wertung des Waffengesetzes Anlass zu der Befürchtung, er könne es auch als Waffenbesitzer am nötigen Verantwortungsbewusstsein fehlen lassen. Wer vorsätzlich Straftaten von einigem Gewicht begehe, wecke regelmäßig Zweifel an seiner Vertrauenswürdigkeit. Diese Zweifel seien auch dafür erheblich, ob er als Waffenbesitzer ein Risiko darstelle, das nach den Maßstäben des Gesetzes nicht hingenommen werden solle. Nach Sinn und Zweck des Gesetzes solle das mit jedem Waffenbesitz verbundene Sicherheitsrisiko möglichst gering gehalten werden und nur bei Personen hingenommen werden, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienten, dass sie mit der Waffe jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgingen. Dieses Vertrauen sei aufgrund des festgesetzten Strafmaßes nachhaltig gestört.
- [5]
- Ein Ausnahmefall komme nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur dann in Betracht, wenn die Umstände der abgeurteilten Tat die Verfehlung ausnahmsweise derart in einem milden Licht erscheinen ließen, dass die nach der Wertung des Gesetzgebers in der Regel durch eine solche Straftat begründeten Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit des Betroffenen nicht gerechtfertigt seien. Erforderlich sei danach eine tatbezogene Prüfung in Gestalt einer Würdigung der Schwere der konkreten Verfehlung und der Persönlichkeit des Betroffenen, wie sie in seinem tatbezogenen Verhalten zum Ausdruck komme. Dabei setze die Vermutungsregelung nicht voraus, dass neben der Verurteilung weitere nachteilige Umstände bekannt geworden seien, sie greife also auch dann, wenn der Betreffende sich ansonsten immer ordnungsgemäß verhalten habe. Da das Gesetz auf die Verurteilung wegen einer Straftat abstelle, komme es weder positiv noch negativ auf außerhalb liegendes Verhalten an.
- [6]
- Nach diesen Grundsätzen könne die gegen den Betroffenen sprechende Vermutung der Unzuverlässigkeit nicht als entkräftet angesehen werden. Schon im Hinblick auf die Gesamtgeldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen komme ein Ausnahmefall nicht in Betracht. Bereits 60 Tagessätze stellten ein Strafmaß dar, das bei Erstverurteilungen nur bei besonders schweren Begleitumständen in Betracht komme. Die ausgesprochene Geldstrafe liege erheblich über diesem Strafmaß. Die Straftat müsse keinen waffenrechtlichen Bezug aufweisen. Der Gesetzgeber habe sich ausdrücklich dafür entschieden, dass es auf einen derartigen Umstand nicht ankomme. Es könne für die Verwaltungsbehörde keinen Unterschied machen, ob eine Straftat vorsätzlich oder mit bedingtem Vorsatz begangen worden sei. Das Landratsamt habe bei seiner Entscheidung davon auszugehen, dass die Gesamtumstände der Tat vom Amtsgericht sachgerecht gewürdigt worden seien und im Strafausspruch ihre Berücksichtigung gefunden hätten. Nach dem festzustellenden/feststehenden Sachverhalt bestehe keine Veranlassung, eine zusätzliche eigenständige strafrechtliche Bewertung der Verfehlungen des Klägers vorzunehmen. Auch der Hinweis, dass der Kläger umfangreiche Sanierungsbemühungen unter Einsatz persönlicher Ressourcen unternommen habe, könne ein Abweichen von der Regelvermutung nicht rechtfertigen. Dies entspreche vielmehr dem typischen Verhalten bei Liquiditätsschwierigkeiten und sei im Übrigen vom Amtsgericht Hof selbst herausgestellt worden und im Rahmen der Abwägung aller Strafzumessungskriterien berücksichtigt worden. Auch der über Jahrzehnte hinweg in zahlreichen Ehrenämtern erbrachte Dienst für die Allgemeinheit biete keinen Ansatz für eine abweichende Entscheidung, weil es allein auf das tatbezogene Verhalten ankomme. Es sei unerheblich, ob der Betroffene sich in der Vergangenheit einwandfrei geführt habe. Nach allem stehe die fehlende Unzuverlässigkeit fest. Die Waffenbesitzkarten müssten widerrufen werden, ein Ermessen stehe der Behörde insoweit nicht zu.
- [7]
- Weiterhin werden ausführlich die gegeneinander stehenden Interessen in Bezug auf die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheides abgewogen und die Androhung der Zwangsgelder begründet.
- [8]
- Mit Schriftsatz vom 12.05.2009 erhoben die Prozessbevollmächtigten des Klägers Klage zum Verwaltungsgericht Bayreuth und beantragten:
- [9]
- Der Bescheid des Landratsamtes Bayreuth vom 08.04.2009 wird aufgehoben.
- [10]
- Weiterhin beantragten sie, die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs anzuordnen.
- [11]
- Der Kläger sei – wie umfangreich dargestellt wird – im Jahr 2008 wegen eines Sachverhalts verurteilt worden, der aus dem Jahr 2001 stamme und mehr als sieben Jahre zurückgelegen habe. Das Gericht sei bei den zur Aburteilung gekommenen Straftatbeständen lediglich von bedingtem Vorsatz ausgegangen. Nach den in der Literatur vertretenen Auffassungen sei auf eine Gesamtwürdigung des Vorlebens und der Persönlichkeit des Betroffenen unter Abwägung aller für die Beurteilung in Betracht kommenden Umstände abzustellen. Dabei seien nicht nur die im strafgerichtlichen Verfahren getroffenen Feststellungen maßgeblich, sondern es sei eine Gesamtschau und Gesamtwürdigung durchzuführen. Es handle sich dabei um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der uneingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Überprüfung unterliege. Der Kläger sei ununterbrochen seit dem Jahr 1960 Jagdscheininhaber und langjähriger Jagdpächter. Er sei im Zeitraum von 1972 bis 2002 Gemeinderat der ehemaligen Gemeinde [...] und Stadtrat der Stadt [...] gewesen. In diesem Zeitraum sei er 24 Jahre lang Fraktionsvorsitzender und sechs Jahre dritter Bürgermeister gewesen. Er habe zahlreiche weitere Ehrenämter, die im Einzelnen aufgeführt werden, inne gehabt. Bereits aus den strafrechtlichen Unterlagen seien die umfangreichen Sanierungsbemühungen unter Einsatz persönlicher Ressourcen ersichtlich. Dieser Sachverhalt gebiete insgesamt ein Abweichen von der Regelvermutung mit der Rechtsfolge, dass weder eine Entziehung der waffennoch der jagdrechtlichen Erlaubnisse geboten erscheine.
- [12]
- Das Landratsamt legte die Behördenakten vor und beantragte mit Schriftsatz vom 28.05.2009, die Klage abzuweisen.
- [13]
- Zur Begründung wurde auf die Gründe des angefochtenen Bescheides verwiesen und insbesondere hervorgehoben, dass der angefochtene Bescheid auf einer konkreten Einzelfallprüfung beruhe, bezogen auf die konkreten Umstände der begangenen Straftat und das hierbei gezeigte Verhalten des Klägers. Das Landratsamt habe unter Zugrundelegung der höchstrichterlichen Rechtsprechung sorgfältig geprüft, ob ausnahmsweise ein Abweichen von der gesetzlichen Regelvermutung gerechtfertigt sein könnte. Diese tatbezogene Prüfung unter Würdigung der Schwere der konkreten Verfehlung und das hierbei gezeigte Verhalten führe zum Ergebnis, dass nach den Gesamtumständen der abgeurteilten Tat kein Ausnahmefall gegeben sei. Schon im Hinblick auf die vom Gericht trotz der Annahme lediglich „bedingten Vorsatzes“ wegen Betruges in 34 Fällen ausgesprochene Geldstrafe von 90 Tagessätzen komme ein Abweichen von der Regelvermutung nicht in Betracht. Auch die umfangreichen Sanierungsbemühungen seien bereits seitens des Amtsgerichts Hof herausgestellt worden und im Rahmen der Abwägung aller Strafzumessungskriterien berücksichtigt worden. Da das Gesetz auf die Verurteilungen wegen einzelner Straftaten abstelle, komme es auf den außergewöhnlichen Einsatz des Klägers für die Allgemeinheit durch Wahrnehmung zahlreicher Ehrenämter nicht an.
- [14]
- Der Kläger wies im Schriftsatz vom 20.10.2009 darauf hin, dass der Verurteilung aus dem Jahr 2008 ein mehr als 10 Jahre zurückliegender Lebenssachverhalt zugrunde liege, der auf einem zwischenzeitlich geänderten Rechtsbegriff der „Überschuldung“ beruhe. Wegen der Finanzkrise sei der Begriff der bilanzierten Überschuldung gelockert worden. Nach neuer Rechtslage bestehe keine Pflicht, einen Insolvenzantrag zu stellen, wenn bei bestehender rechnerischer Überschuldung für das Unternehmen eine günstige Fortführungsprognose gestellt werden könne. Da positive Stellungnahmen und Analysen mit Zukunftsplanung für die Jahre 2002 bis 2005 von qualifizierten Wirtschaftsprüfern vorgelegen hätten, würde nach heutiger Rechtslage keine Verpflichtung des Klägers bestehen, einen Insolvenzantrag zu stellen. Die Firma [...] GmbH habe innerhalb von 18 Monaten in den Jahren 2000 und 2001 einen Forderungsausfall infolge anderer Insolvenzen von 520.000,00 EUR zu verkraften gehabt. Im Januar 2002 habe die durch den Kläger beauftragte Wirtschaftskanzlei [...] eine Unternehmensprognose erstellt, wonach eine positive Firmenfortführung gewährleistet gewesen sei, wenn dem Unternehmen Mittel in Höhe von 320.000,00 EUR zufließen würden. Der Kläger habe die Zusage für ein Liquiditätsdarlehen – Förderprogramm bei der [...]-Bank gehabt, wofür noch eine Ausfallbürgschaft der Bank [...] gefehlt habe. Die Weitergabe dieses Bürgschaftsantrages sei durch die [...] durch permanente Forderungen über weitere Unternehmensanalysen mit zusätzlichen Kosten verzögert worden (wie weiter dargestellt wird). Der Kläger sei letztlich an der Zurückhaltung der [...] gescheitert.
- [15]
- Weiter vertritt der Kläger die Auffassung, dass bei der Beurteilung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit neben der Schwere der konkreten Verfehlung in strafrechtlicher Hinsicht auch die Persönlichkeit des Betroffenen zu berücksichtigen sei und verweist auf seine zahlreichen Ehrenämter.
- [16]
- Mit Beschluss vom 25.05.2009 lehnte das Verwaltungsgericht Bayreuth den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ab. Die dagegen erhobene Beschwerde wies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 14.09.2009 zurück.
- [17]
- In der mündlichen Verhandlung am 01.06.2010 vertieften die Beteiligten das bisherige Vorbringen und wiederholten die bereits schriftlich gestellten Anträge.
- [18]
- Wegen der Einzelheiten wird auf das Vorbringen der Beteiligten, die Gründe des angefochtenen Bescheides, die Niederschrift über die mündliche Verhandlung und die beigezogenen Akten des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes B 1 S 09.359 Bezug genommen.
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VG Bayreuth | B 1 S 09.359 | 25.05.2009
[ECLI:DE:VGBAYRE:2009:0525.B1S09.359.0A]
LDJR 2009, 5273
V o r s p a n n
In der Verwaltungsstreitsache
- Antragsteller -
g e g e n
Landratsamt Bayreuth [...],
- Antragsgegner -
w e g e n
Waffenrechts (Widerruf von Waffenbesitzkarten)
hier: Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO
erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Bayreuth, 1. Kammer, [...] ohne mündliche Verhandlung am 25. Mai 2009 folgenden Beschluss:
T e n o r
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Streitwert wird auf 4.750,00 EUR festgesetzt.
T a t b e s t a n d
I.
- [1]
- Der Antragsteller ist Inhaber der am 28.02.1974 ausgestellten Waffenbesitzkarte Nr. 1177/74 und der am 15.12.1994 ausgestellten Waffenbesitzkarte Nr. 6298/94. In diesen Waffenbesitzkarten sind zurzeit sechs Langwaffen, zwei Kurzwaffen sowie der Munitionserwerb zur Waffe laufende Nr. 7 (Revolver .357 magn.) eingetragen.
- [2]
- Mit Urteil des Amtsgerichts Hof vom 26.05.2008, rechtskräftig seit dem 26.05.2008, wurde der Antragsteller wegen Betrugs in 34 Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt. Nach dem Anklagesatz der Staatsanwaltschaft Hof vom 11.12.2006, auf den das gemäß § 267 Abs. 4 StPO abgekürzte Strafurteil verweist, war dem Antragsteller seit dem 31.12.2001 bekannt, dass die Liquiditätsreserven des von ihm geführten Unternehmens vollständig aufgebraucht waren und eine Liquiditätslücke von 89,5 % entstanden war, die bis zum 30.06.2002 auf 93,3 % angewachsen war und nicht mehr beseitigt werden konnte. Trotz umfangreicher Bemühungen war es den Geschäftsführern in der Folgezeit nicht mehr gelungen, der Gesellschaft die benötigte Liquidität zur Begleichung der Verbindlichkeiten zuzuführen. Trotz Kenntnis dieses Sachverhalts bestellten die Geschäftsführer für das Unternehmen in mehreren Fällen unter Vortäuschung der Zahlungsfähigkeit Waren bei Lieferanten oder erteilten Aufträge für Dienstleistungen. Dieses Verhalten setzte der Antragsteller auch nach dem Ausscheiden der Mitgeschäftsführer am 24.01.2003 weiterhin fort und kam erst am 20.03.2003 seiner spätestens seit dem 01.01.2002 bestehenden Verpflichtung nach, einen Insolvenzantrag über das Gesellschaftsvermögen zu stellen. Der Antragsteller wurde deshalb wegen vorsätzlich unterlassener Insolvenzantragstellung und Betrugs in 60 tatmehrheitlichen Fällen sowie Betrugs in 31 weiteren tatmehrheitlichen Fällen angeklagt. Verurteilt wurde der Antragsteller wegen Betrugs in 34 Fällen. Die weiteren Betrugsfälle mit einem angeklagten Schaden von nicht mehr als 600,00 EUR sowie die angeklagte Insolvenzverschleppung wurden gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt. Das Amtsgericht stellte fest, dass der Angeklagte in allen Fällen nach umfangreichen Sanierungsbemühungen jeweils nur mit bedingtem Vorsatz gehandelt habe.
- [3]
- Nach Anhörung des Antragstellers widerrief das Landratsamt Bayreuth mit Bescheid vom 08.04.2009 die dem Antragsteller erteilten Waffenbesitzkarten (Ziffer I des Bescheides), verpflichtete den Antragsteller innerhalb von vier Wochen nach Zustellung des Bescheides die Waffenbesitzkarten an das Landratsamt zurückzugeben (Ziffer II 1 des Bescheides), die in den Waffenbesitzkarten eingetragenen Schusswaffen sowie die Munition dauerhaft unbrauchbar zu machen oder einem Berechtigten zu überlassen (Ziffer II 2 des Bescheides) und das Unbrauchbarmachen bzw. Überlassen an einen Berechtigten dem Landratsamt innerhalb gleicher Frist nachzuweisen (Ziffer II 3 des Bescheides) und für den Fall des Überlassens an einen Berechtigten dem Landratsamt Name und Anschrift des Erwerbers bekannt zu geben (Ziffer II 4 des Bescheides). Für den Fall der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs wurde die Frist bis zum Ablauf von 4 Wochen nach Bestandskraft verlängert. Die sofortige Vollziehung der Ziffer II des Bescheides wurde angeordnet und für den Fall, dass die verfügten Anordnungen nicht bzw. nicht termingerecht erfüllt werden, Zwangsgelder von je 500,00 EUR (hinsichtlich der Anordnung II 1 und II 2) sowie jeweils 250,00 EUR (hinsichtlich der Anordnungen II 3 und II 4) für fällig erklärt.
- [4]
- Zur Begründung führte das Landratsamt im Wesentlichen aus, dass waffenrechtliche Erlaubnisse zu widerrufen seien, wenn nachträglich Tatsachen einträten, die zur Versagung der Erlaubnisse hätten führen müssen. Voraussetzung für eine waffenrechtliche Erlaubnis sei die erforderliche Zuverlässigkeit. Diese Zuverlässigkeit besäßen in der Regel Personen nicht, wenn sie wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen verurteilt worden seien und seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung fünf Jahre noch nicht verstrichen seien. Dies sei der Fall, da der Antragsteller mit Urteil des Amtsgerichts Hof vom 26.05.2008, rechtskräftig seit dem 26.05.2008, wegen Betrugs in 34 Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt worden sei. Nach dem amtsgerichtlichen Urteil sei dabei Vorsatz in der Form des bedingten Vorsatzes gegeben gewesen. Da seit der Rechtskraft des Urteils noch keine fünf Jahre verstrichen seien, müssten die Waffenbesitzkarten widerrufen werden. Es seien keine Tatsachen ersichtlich, die ein Abweichen von der Regelvermutung rechtfertigen könnten. Nach der eindeutigen gesetzlichen Regelung reiche bei einer vorsätzlichen Straftat selbst bei einer erstmaligen Verfehlung alleine die Bestrafung mit einer Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen aus, um die Regelvermutung der fehlenden Zuverlässigkeit greifen zu lassen. Wer ein derartiges Delikt begehe, gebe nach der gesetzgeberischen Wertung des Waffengesetzes Anlass zu der Befürchtung, er könne es auch als Waffenbesitzer am nötigen Verantwortungsbewusstsein fehlen lassen. Wer vorsätzlich Straftaten von einigem Gewicht begehe, wecke regelmäßig Zweifel an seiner Vertrauenswürdigkeit. Diese Zweifel seien auch dafür erheblich, ob er als Waffenbesitzer ein Risiko darstelle, das nach den Maßstäben des Gesetzes nicht hingenommen werden solle. Nach Sinn und Zweck des Gesetzes solle das mit jedem Waffenbesitz verbundene Sicherheitsrisiko möglichst gering gehalten werden und nur bei Personen hingenommen werden, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienten, dass sie mit der Waffe jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgingen. Dieses Vertrauen sei aufgrund des festgesetzten Strafmaßes nachhaltig gestört.
- [5]
- Ein Ausnahmefall komme nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur dann in Betracht, wenn die Umstände der abgeurteilten Tat die Verfehlung ausnahmsweise derart in einem milden Licht erscheinen ließen, dass die nach der Wertung des Gesetzgebers in der Regel durch eine solche Straftat begründeten Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit des Betroffenen nicht gerechtfertigt seien. Erforderlich sei danach eine tatbezogene Prüfung in Gestalt einer Würdigung der Schwere der konkreten Verfehlung und der Persönlichkeit des Betroffenen, wie sie in seinem tatbezogenen Verhalten zum Ausdruck komme. Dabei setze die Vermutungsregelung nicht voraus, dass neben der Verurteilung weitere nachteilige Umstände bekannt geworden seien, sie greife also auch dann, wenn der Betreffende sich ansonsten immer ordnungsgemäß verhalten habe. Da das Gesetz auf die Verurteilung wegen einer Straftat abstelle, komme es weder positiv noch negativ auf außerhalb liegendes Verhalten nicht an.
- [6]
- Nach diesen Grundsätzen könne die gegen den Betroffenen sprechende Vermutung der Unzuverlässigkeit nicht als entkräftet angesehen werden. Schon im Hinblick auf die Gesamtgeldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen komme ein Ausnahmefall nicht in Betracht. Bereits 60 Tagessätze stellten ein Strafmaß dar, das bei Erstverurteilungen nur bei besonders schweren Begleitumständen in Betracht komme. Die ausgesprochene Geldstrafe liege erheblich über diesem Strafmaß. Die Straftat müsse keinen waffenrechtlichen Bezug aufweisen. Der Gesetzgeber habe sich ausdrücklich dafür entschieden, dass es auf einen derartigen Umstand nicht ankomme. Es könne für die Verwaltungsbehörde keinen Unterschied machen, ob eine Straftat vorsätzlich oder mit bedingtem Vorsatz begangen worden sei. Das Landratsamt habe bei seiner Entscheidung davon auszugehen, dass die Gesamtumstände der Tat vom Amtsgericht sachgerecht gewürdigt worden seien und im Strafausspruch ihre Berücksichtigung gefunden hätten. Nach dem festzustellenden/feststehenden Sachverhalt bestehe keine Veranlassung, eine zusätzliche eigenständige strafrechtliche Bewertung der Verfehlungen des Antragstellers vorzunehmen. Auch der Hinweis, dass der Antragsteller umfangreiche Sanierungsbemühungen unter Einsatz persönlicher Ressourcen unternommen habe, könne ein Abweichen von der Regelvermutung nicht rechtfertigen. Dies entspreche vielmehr dem typischen Verhalten bei Liquiditätsschwierigkeiten und sei im Übrigen vom Amtsgericht Hof selbst herausgestellt worden und im Rahmen der Abwägung aller Strafzumessungskriterien berücksichtigt worden. Auch der über Jahrzehnte hinweg in zahlreichen Ehrenämtern erbrachte Dienst für die Allgemeinheit biete keinen Ansatz für eine abweichende Entscheidung, weil es allein auf das tatbezogene Verhalten ankomme. Es sei unerheblich, ob der Betroffene sich in der Vergangenheit einwandfrei geführt habe. Nach allem stehe die fehlende Unzuverlässigkeit fest. Die Waffenbesitzkarten müssten widerrufen werden, ein Ermessen stehe der Behörde insoweit nicht zu.
- [7]
- Weiterhin werden ausführlich die gegeneinander stehenden Interessen in Bezug auf die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheides abgewogen und die Androhung der Zwangsgelder begründet.
- [8]
- Mit Schriftsatz vom 12.05.2009 erhoben die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers Klage zum Verwaltungsgericht Bayreuth und beantragten weiterhin, Ziffer 3 des Bescheides des Landratsamts Bayreuth vom 08.04.2009 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs anzuordnen.
- [9]
- Der Antragsteller sei – wie umfangreich dargestellt wird – wegen im Jahr 2008 wegen eines Sachverhalts verurteilt worden, der aus dem Jahr 2001 stamme und mehr als sieben Jahre zurückgelegen habe. Das Gericht sei bei den zur Aburteilung gekommenen Straftatbeständen lediglich von bedingtem Vorsatz ausgegangen. Nach den in der Literatur vertretenen Auffassungen sei auf eine Gesamtwürdigung des Vorlebens und der Persönlichkeit des Betroffenen unter Abwägung aller für die Beurteilung in Betracht kommenden Umstände abzustellen. Dabei seien nicht nur die im strafgerichtlichen Verfahren getroffenen Feststellungen maßgeblich, sondern es sei eine Gesamtschau und Gesamtwürdigung durchzuführen. Es handle sich dabei um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der uneingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Überprüfung unterliege. Der Antragsteller sei ununterbrochen seit dem Jahr 1960 Jagdscheininhaber und langjähriger Jagdpächter. Er sei im Zeitraum von 1972 bis 2002 Gemeinderat der ehemaligen Gemeinde [...] und Stadtrat der Stadt [...] gewesen. In diesem Zeitraum sei er 24 Jahre lang Fraktionsvorsitzender und sechs Jahre dritter Bürgermeister gewesen. Er habe zahlreiche weitere Ehrenämter, die im Einzelnen aufgeführt werden, inne gehabt. Bereits aus den strafrechtlichen Unterlagen seien die umfangreichen Sanierungsbemühungen unter Einsatz persönlicher Ressourcen ersichtlich. Dieser Sachverhalt gebiete insgesamt ein Abweichen von der Regelvermutung mit der Rechtsfolge, dass weder eine Entziehung der waffennoch der jagdrechtlichen Erlaubnisse geboten erscheine.
- [10]
- Mit Schriftsatz vom 20.05.2009, eingegangen beim Verwaltungsgericht Bayreuth am 25.05.2009, legte das Landratsamt die Behördenakten vor und beantragte sinngemäß, den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abzulehnen.
- [11]
- Zur Begründung wurde auf die Gründe des angefochtenen Bescheides verwiesen und insbesondere hervorgehoben, dass der angefochtene Bescheid auf einer konkreten Einfallprüfung beruhe, bezogen auf die konkreten Umstände der begangenen Straftat und das hierbei gezeigte Verhalten des Antragstellers.
- [12]
- Wegen der Einzelheiten wird auf das Vorbringen der Beteiligten, die beigezogenen Behördenakten sowie die Gründe des angefochtenen Bescheides Bezug genommen.
»ENDE DES DOKUMENTAUSZUGS«