VG Gießen | 9 G 1238/05 | 14.12.2005
- Details
- vom Mittwoch, 14. Dezember 2005 01:00
Bibliografie
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Gericht: | |
Verwaltungsgericht Gießen (VG Gießen) | |
Aktenzeichen: | Entscheidungsdatum: |
9 G 1238/05 | 14.12.2005 |
Spruchkörper: | Entscheidungsform: |
9. Kammer | Beschluss |
ECLI: | |
ECLI:DE:VGGIESS:2005:1214.9G1238.05.0A | |
Normen: | Jur. Bedeutung: |
§ 5 Abs. 2 WaffGV-SUCHE, § 5 Abs. 2 Satz 1 WaffGV-SUCHE, § 45 Abs. 2 WaffGV-SUCHE, § 45 Abs. 2 des WaffengesetzesV-SUCHE, § 28 Abs. 5 i. V. m. Abs. 3 Nr. 7 WaffGV-SUCHE, § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffGV-SUCHE | |
Schlüsselwörter: | Volltext: |
V-SUCHESchusswaffe, Waffenbesitzkarte, Besitz, Strafbefehl, Erlaubnis, Jagd, Zuverlässigkeit, Unzuverlässigkeit, Jagdwaffe, Waffenhandel | |
Referenz: | Permalink: |
LDJR 2005, 4550 https://lexdejur.de/ldjr4550 | LINK (+/-) |
Zitierweise: | Tipp: |
VG Gießen, Beschluss vom 14. Dezember 2005 - 9 G 1238/05 [ECLI:DE:VGGIESS:2005:1214.9G1238.05.0A] - lexdejur VG Gießen, Beschluss vom 14. Dezember 2005 - 9 G 1238/05 - lexdejur | ECLI (+/-) |
Entscheidungstext
[ECLI:DE:VGGIESS:2005:1214.9G1238.05.0A]
LDJR 2005, 4550
V o r s p a n n
In dem Verwaltungsstreitverfahren
- Antragsteller -
g e g e n
Landratsamt [...],
- Antragsgegner -
w e g e n
Waffenrechts
hat das Verwaltungsgericht Gießen - 9. Kammer - [...] am 14. Dezember 2005 beschlossen:
T e n o r
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 12.750,00 Euro festgesetzt.
T a t b e s t a n d
I.
- [1]
- Der Antragsteller wurde im F. in A-Stadt geboren. Er ist seit April 1975 bzw. September 0000 Inhaber der vom Landrat des Wetteraukreises ausgestellten Waffenbesitzkarten Nrn. 0000/1 und 0000/2 mit insgesamt 16 eingetragenen Schusswaffen und ist Inhaber des Europäischen Feuerwaffenpasses Nr. 000. Nach seinen Angaben ist er außerdem Jäger und Inhaber einer dänischen Waffenhandelsfirma. Die Gültigkeit seines deutschen Jagdscheins Nr. 000/87 wurde im Februar 2003 von dem Landrat des Antragsgegners bis Ende März 2006 verlängert.
- [2]
- Im Dezember 2000 und im Juni 2002 gab der insolvent gewordene Antragsteller beim Amtsgericht A-Stadt eidesstattliche Versicherungen über seine Vermögensverhältnisse ab. Er verneinte in beiden Vermögensverzeichnissen den Besitz wertvoller Gebrauchsgegenstände, insbesondere auch von Jagd- und Sportwaffen, verneinte eine Sicherungsübereignung von Sachen und verneinte eine Beteiligung an Gesellschaften, obwohl er mit einer Einlage von 5.000,00 DM an einer Firma G. beteiligt war. In dem Vermögensverzeichnis vom 26.06.2002 erklärte er: „Es sind keinerlei Jagdwaffen mehr vorhanden (waren früher in meinem Besitz)“. Der Landrat forderte den Antragsteller daraufhin mit Verfügung vom 24.02.2003 auf, die in seinem Besitz befindlichen Schusswaffen und seine Waffenbesitzkarten bis zum 14.03.2003 der Behörde in Büdingen vorzuzeigen. Der Antragsteller zeigte gemäß telefonischer Zusage vom 13.03. eine Langwaffe am 08.04.2003 vor. Der zuständige Beamte der Waffenbehörde vermerkte dazu am 08.04.2003 in der Behördenakte, dass die übrigen Waffen am 15.04.2003 vorgeführt werden. Dies geschah dann auch.
- [3]
- Das Amtsgericht A-Stadt verurteilte den Antragsteller mit Strafbefehl vom 07.10.2003 (45 a Ds 305 Js 27789/02) wegen Betruges zum Nachteil eines Büchsenmachers in Tateinheit mit der Abgabe falscher eidesstattlicher Versicherungen im Dezember 2000 und Juni 2002 zu einer Gesamtgeldstrafe von 60 Tagessätzen á 10 Euro. Gegen den Strafbefehl wurde kein Einspruch eingelegt, und am 23.10.2003 wurde der Strafbefehl rechtskräftig.
- [4]
- Der Landrat des Antragsgegners schrieb dem Antragsteller wiederholt, erstmals am 19.05.2004, dass dieser aufgrund der Verurteilung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen nicht mehr die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit besitze und daher beabsichtigt sei, die ihm erteilte waffenrechtliche Erlaubnis zu widerrufen.
- [5]
- Mit der an den Antragsteller gerichteten und hier angefochtenen Verfügung vom 08.07.2004 widerrief der Landrat dann, ausdrücklich gestützt auf § 45 Abs. 2 des Waffengesetzes, die dem Antragsteller am 18.05.1975 und am 13.09.1984 erteilten waffenrechtlichen Erlaubnisse in Form der Waffenbesitzkarten Nrn. 0000/1 und 0000/2 sowie den Europäischen Waffenpass Nr. 000 vom 27.09.2001. Gemäß § 46 Abs. 1 WaffG sei die Waffenbesitzkarte unverzüglich der Behörde zurückzugeben. Der Antragsteller werde gemäß § 46 Abs. 2 WaffG aufgefordert, alle Gegenstände, die er aufgrund der waffenrechtlichen Erlaubnisse erworben habe oder über die er befugt die tatsächliche Gewalt ausgeübt habe, innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Verfügung dauerhaft unbrauchbar zu machen oder einem Berechtigten zu überlassen und dies der Behörde umgehend nachzuweisen. Zudem verfügte die Behörde in dem Bescheid vom 08.07.2004, dass gemäß § 18 des Bundesjagdgesetzes in Verbindung mit § 15 Hessisches Jagdgesetz der dem Antragsteller erteilte und bis zum 31.03.2006 befristete Jagdschein Nr. 000/87 für ungültig erklärt und eingezogen wird. Schließlich wird in dem Bescheid gemäß § 80 Abs. 2 Ziffer 4 VwGO die sofortige Vollziehung der gesamten Verfügung angeordnet. In der Begründung des Bescheides heißt es unter anderem, Gründe, die ein Abweichen von der Regelvermutung, der Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 WaffG zuließen, seien nicht zu erkennen und seien auch von dem Antragsteller nicht vorgetragen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei im überwiegenden öffentlichen Interesse geboten. In der Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung heißt es unter anderem, dass die waffenrechtliche und die jagdrechtliche Unzuverlässigkeit die sofortige Vollziehung gebieten, um sicherzustellen, dass der Antragsteller keine Schusswaffen aufgrund seiner jagdrechtlichen Erlaubnis erwerben könne und kein Missbrauch mit den Waffen, die sich in seinem Besitz befinden, möglich sei. Der Bescheid wurde dem Antragsteller am 10.07.2004 zugestellt.
- [6]
- Am 06.08.2004 hat der Antragsteller, anwaltlich vertreten, gegen die Verfügung vom 08.07.2004 Widerspruch eingelegt. Sein Anwalt schrieb zur Begründung des Widerspruchs unter anderem, die Beteiligung an der Firma G. sei wirtschaftlich wertlos gewesen; durch den Niedergang dieser Firma und die damit einhergehende persönliche Insolvenz des Antragstellers sei es nicht zur Bezahlung der Forderung des Büchsenmachers gekommen. Seine Jagdwaffen habe der Antragsteller bereits im Januar 1999 bei gleichzeitiger Vereinbarung eines Besitzmittlungskonstituts seinem Vater für ein Darlehen sicherungsübereignet. Mit der verhängten Gesamtgeldstrafe von 60 Tagessätzen werde die Grenze aus § 5 Abs. 2 WaffG lediglich gestreift. Wenn der Antragsteller gegen den rechtskräftig gewordenen Strafbefehl rechtzeitig verteidigt gewesen wäre, wäre schon im Hinblick auf die jagd- und waffenrechtlichen Folgen eine Einigung mit dem Gericht dahingehend möglich gewesen, dass die Gesamtzahl von 60 Tagessätzen geringfügig unterschritten worden wäre und dafür im Gegenzug die Höhe des einzelnen Tagessatzes leicht erhöht worden wäre. Der Antragsteller sei in Dänemark Inhaber der Firma „H.“ in I.. Diese Firma habe die Lizenz zum Waffenhandel. Sie sei danach auch ohne Weiteres berechtigt, die heute auf der Waffenbesitzkarte des Antragstellers eingetragenen und im Sicherungseigentum seines Vaters stehenden Jagdwaffen zu erwerben und zu besitzen. Falls das Widerspruchsverfahren für den Antragsteller negativ verlaufen würde, dann müsste der Antragsteller seine Jagdwaffen lediglich auf seine dänische Firma, also auf sich selbst übertragen, um den Formalitäten der Anordnung der sofortigen Vollziehung zu genügen. Es werde deswegen vorsorglich und hilfsweise angeregt, auf die Durchsetzung der sofortigen Vollziehung der jagd- und waffenrechtlichen Verfügung zu verzichten, falls beabsichtigt sein sollte, dem Widerspruch nicht stattzugeben.
- [7]
- Am 10. Januar 2005 suchten zwei Bedienstete des Antragsgegners das Zweifamilienhaus in A-Stadt auf, unter dessen Anschrift der Antragsteller mit seinem Wohnsitz gemeldet ist und wo auch sein Vater wohnt. Der Antragsteller wurde nicht angetroffen. Sein Vater sagte, er könne sich über den Verbleib der Waffen nicht äußern. Auf Antrag des Landrats ordnete das Amtsgericht A-Stadt mit Beschluss vom 07.02.2005 gemäß §§ 38, 39 und 40 HSOG das Öffnen, Betreten und Durchsuchen der Wohnung des Antragstellers auf dem Anwesen in A-Stadt zum Zwecke des Auffindens und der Sicherstellung der in den Waffenbesitzkarten eingetragenen 16 Schusswaffen an. Der Beschluss bestimmt, dass diese Anordnung ihre Wirksamkeit verliert, wenn sie nicht bis zum 06.05.2005 vollzogen ist. Ob die angeordnete Wohnungsdurchsuchung erfolgte, ergibt sich aus den vorgelegten Verwaltungsvorgängen und dem schriftlichen Vorbringen der Beteiligten nicht.
- [8]
- Am 20.05.2005 hat der anwaltlich vertretene Antragsteller bei Gericht beantragt, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 06.08.2004 gegen die jagd- und waffenrechtliche Verfügung des Antragsgegners vom 08.07.2004 wiederherzustellen. Ergänzend zu seinen Schreiben im Widerspruchsverfahren bringt der Anwalt vor, die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 des Waffengesetzes greife nicht. Gemäß einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. April 1999, Az. 1 B 61/92, sei eine Überprüfung der strafrechtlichen Entscheidung dann veranlasst, wenn ohne Weiteres erkennbar sei, dass die Verurteilung auf einem Irrtum beruhe oder wenn die Verwaltungsbehörde oder das Verwaltungsgericht ausnahmsweise in der Lage seien, den Vorfall besser als die Strafverfolgungsbehörde aufzuklären. Beide Fallalternativen seien hier gegeben.
- [9]
- Der Antragsteller beantragt mit seinem am 20.05.2005 gestellten Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 06. August 2004 gegen die jagd- und waffenrechtliche Verfügung des Antragsgegners vom 08. Juli 2004 wiederherzustellen.
- [10]
- Mit dem Hessischen Gesetz zur Kommunalisierung des Landrates vom 21.03.2005 (GVBl I Seite 229) ist nach Artikel 1 § 1 und Artikel 13 Nr. 2 des Gesetzes bezüglich der waffenrechtlichen Verfügung der Landrat die zuständige Behörde des Landkreises geworden und ist zuständige Behörde bezüglich der jagdrechtlichen Verfügung gemäß Artikel 24 des Gesetzes der Kreisausschuss. Das Gericht hat daher das Verfahren unter dem Aktenzeichen 9 G 1238/05 als waffenrechtliches Verfahren angelegt und betrieben und das jagdrechtliche Verfahren unter dem anderen Aktenzeichen 9 G 1239/05.
- [11]
- Der Antragsgegner hat in beiden Verfahren beantragt, den Antrag zurückzuweisen.
- [12]
- Im vorliegenden waffenrechtlichen Verfahren bringt der Anwalt des Antragstellers vor, die getroffene Anordnung einer sofortigen Vollziehung setze ein besonderes öffentliches Interesse voraus, welches im konkreten Fall nicht gegeben sei. Aus der Akte würden sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Antragsteller jemals mit Schusswaffen oder Munition leichtfertig umgegangen sei. Er sei bis auf den in diesem Verfahren relevanten Strafbefehl immer straffrei durch sein Leben gegangen. Im Waffengesetz finde sich kein Hinweis darauf, dass bei Einziehung jagd- und waffenrechtlicher Erlaubnisse grundsätzlich und in jedem Fall die sofortige Vollziehung anzuordnen sei, ohne dass zunächst durch Interessenabwägung festzustellen wäre, ob tatsächlich ein überwiegendes öffentliches Interesse für die Anordnung der sofortigen Vollziehung vorliege. Schließlich schütze Artikel 19 Abs. 4 des Grundgesetzes auch gegen vorläufige Rechtsnachteile. Hinsichtlich des zu schützenden Individualinteresses des Antragstellers werde auch zu berücksichtigen sein, dass die angeordnete sofortige Vollziehung zum Verlust der wirtschaftlichen Existenz des Antragstellers, nämlich seiner Waffenhandelsfirma in Dänemark, führen würde. Da der Antragsteller geschäftlich in Dänemark tätig sei und die Waffen in zulässiger und sicherer Form in dem Haus verwahrt würden, welches von seinem Vater bewohnt werde, habe der Antragsteller die Waffen nicht sofort auf Anordnung der Behörden vorzeigen können.
- [13]
- Das Regierungspräsidium Darmstadt wies mit Widerspruchsbescheid vom 26.09.2005 den Widerspruch des Antragstellers gegen den waffenrechtlichen Teil der Verfügung des Landrats vom 08.07.2004 als unbegründet zurück. In den Gründen des Widerspruchsbescheides heißt es unter anderem, die abstrakte Gefährlichkeit von Schusswaffen gebiete eine restriktive Auslegung, wenn von der Regelvermutung der Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 WaffG abgewichen werden solle. Das Gesetz wolle ganz allgemein verhindern, dass Waffen in die Hände von Personen gelangen, die nach ihrem Verhalten kein Vertrauen verdienen, dass sie jederzeit und in jeder Hinsicht mit Waffen sorgsam umgehen. Gegen die waffenrechtliche Zuverlässigkeit des Antragstellers spreche auch, dass dieser der Aufforderung der örtlichen Waffenbehörde nicht sofort Folge geleistet habe, die laut Waffenbesitzkarten in seinem Besitz befindlichen Schusswaffen der Behörde zur Überprüfung vorzuzeigen. Erst nach über zwei Monaten und mehrmaliger Aufforderung sei zunächst nur eine Langwaffe vorgezeigt worden, die restlichen Waffen erst nach einer weiteren Woche. Das als Möglichkeit angekündigte Verbringen der Waffen zu der Einzelhandelsfirma des Antragstellers nach Dänemark wäre ohne die nach § 31 WaffG erforderliche Erlaubnis eine Straftat.
- [14]
- Am 25.10.2005 hat der Antragsteller wegen des Widerrufs der waffenrechtlichen Erlaubnisse Klage auf Aufhebung des Bescheides vom 08.07.2004 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 26.09.2005 erhoben (VG Gießen 9 E 3453/05).
- [15]
- Im Übrigen wird auf die Gerichtsakten dieses Eilverfahrens sowie des jagdrechtlichen Eilverfahrens 9 G 1239/05, des waffenrechtlichen Klageverfahrens 9 E 3453/05 und des jagdrechtlichen Klageverfahrens 9 E 4005/05 sowie auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
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VG Gießen | 9 G 1238/05 | 14.12.2005
[ECLI:DE:VGGIESS:2005:1214.9G1238.05.0A]
LDJR 2005, 4550
V o r s p a n n
In dem Verwaltungsstreitverfahren
- Antragsteller -
g e g e n
Landratsamt [...],
- Antragsgegner -
w e g e n
Waffenrechts
hat das Verwaltungsgericht Gießen - 9. Kammer - [...] am 14. Dezember 2005 beschlossen:
T e n o r
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 12.750,00 Euro festgesetzt.
T a t b e s t a n d
I.
- [1]
- Der Antragsteller wurde im F. in A-Stadt geboren. Er ist seit April 1975 bzw. September 0000 Inhaber der vom Landrat des Wetteraukreises ausgestellten Waffenbesitzkarten Nrn. 0000/1 und 0000/2 mit insgesamt 16 eingetragenen Schusswaffen und ist Inhaber des Europäischen Feuerwaffenpasses Nr. 000. Nach seinen Angaben ist er außerdem Jäger und Inhaber einer dänischen Waffenhandelsfirma. Die Gültigkeit seines deutschen Jagdscheins Nr. 000/87 wurde im Februar 2003 von dem Landrat des Antragsgegners bis Ende März 2006 verlängert.
- [2]
- Im Dezember 2000 und im Juni 2002 gab der insolvent gewordene Antragsteller beim Amtsgericht A-Stadt eidesstattliche Versicherungen über seine Vermögensverhältnisse ab. Er verneinte in beiden Vermögensverzeichnissen den Besitz wertvoller Gebrauchsgegenstände, insbesondere auch von Jagd- und Sportwaffen, verneinte eine Sicherungsübereignung von Sachen und verneinte eine Beteiligung an Gesellschaften, obwohl er mit einer Einlage von 5.000,00 DM an einer Firma G. beteiligt war. In dem Vermögensverzeichnis vom 26.06.2002 erklärte er: „Es sind keinerlei Jagdwaffen mehr vorhanden (waren früher in meinem Besitz)“. Der Landrat forderte den Antragsteller daraufhin mit Verfügung vom 24.02.2003 auf, die in seinem Besitz befindlichen Schusswaffen und seine Waffenbesitzkarten bis zum 14.03.2003 der Behörde in Büdingen vorzuzeigen. Der Antragsteller zeigte gemäß telefonischer Zusage vom 13.03. eine Langwaffe am 08.04.2003 vor. Der zuständige Beamte der Waffenbehörde vermerkte dazu am 08.04.2003 in der Behördenakte, dass die übrigen Waffen am 15.04.2003 vorgeführt werden. Dies geschah dann auch.
- [3]
- Das Amtsgericht A-Stadt verurteilte den Antragsteller mit Strafbefehl vom 07.10.2003 (45 a Ds 305 Js 27789/02) wegen Betruges zum Nachteil eines Büchsenmachers in Tateinheit mit der Abgabe falscher eidesstattlicher Versicherungen im Dezember 2000 und Juni 2002 zu einer Gesamtgeldstrafe von 60 Tagessätzen á 10 Euro. Gegen den Strafbefehl wurde kein Einspruch eingelegt, und am 23.10.2003 wurde der Strafbefehl rechtskräftig.
- [4]
- Der Landrat des Antragsgegners schrieb dem Antragsteller wiederholt, erstmals am 19.05.2004, dass dieser aufgrund der Verurteilung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen nicht mehr die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit besitze und daher beabsichtigt sei, die ihm erteilte waffenrechtliche Erlaubnis zu widerrufen.
- [5]
- Mit der an den Antragsteller gerichteten und hier angefochtenen Verfügung vom 08.07.2004 widerrief der Landrat dann, ausdrücklich gestützt auf § 45 Abs. 2 des Waffengesetzes, die dem Antragsteller am 18.05.1975 und am 13.09.1984 erteilten waffenrechtlichen Erlaubnisse in Form der Waffenbesitzkarten Nrn. 0000/1 und 0000/2 sowie den Europäischen Waffenpass Nr. 000 vom 27.09.2001. Gemäß § 46 Abs. 1 WaffG sei die Waffenbesitzkarte unverzüglich der Behörde zurückzugeben. Der Antragsteller werde gemäß § 46 Abs. 2 WaffG aufgefordert, alle Gegenstände, die er aufgrund der waffenrechtlichen Erlaubnisse erworben habe oder über die er befugt die tatsächliche Gewalt ausgeübt habe, innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Verfügung dauerhaft unbrauchbar zu machen oder einem Berechtigten zu überlassen und dies der Behörde umgehend nachzuweisen. Zudem verfügte die Behörde in dem Bescheid vom 08.07.2004, dass gemäß § 18 des Bundesjagdgesetzes in Verbindung mit § 15 Hessisches Jagdgesetz der dem Antragsteller erteilte und bis zum 31.03.2006 befristete Jagdschein Nr. 000/87 für ungültig erklärt und eingezogen wird. Schließlich wird in dem Bescheid gemäß § 80 Abs. 2 Ziffer 4 VwGO die sofortige Vollziehung der gesamten Verfügung angeordnet. In der Begründung des Bescheides heißt es unter anderem, Gründe, die ein Abweichen von der Regelvermutung, der Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 WaffG zuließen, seien nicht zu erkennen und seien auch von dem Antragsteller nicht vorgetragen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei im überwiegenden öffentlichen Interesse geboten. In der Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung heißt es unter anderem, dass die waffenrechtliche und die jagdrechtliche Unzuverlässigkeit die sofortige Vollziehung gebieten, um sicherzustellen, dass der Antragsteller keine Schusswaffen aufgrund seiner jagdrechtlichen Erlaubnis erwerben könne und kein Missbrauch mit den Waffen, die sich in seinem Besitz befinden, möglich sei. Der Bescheid wurde dem Antragsteller am 10.07.2004 zugestellt.
- [6]
- Am 06.08.2004 hat der Antragsteller, anwaltlich vertreten, gegen die Verfügung vom 08.07.2004 Widerspruch eingelegt. Sein Anwalt schrieb zur Begründung des Widerspruchs unter anderem, die Beteiligung an der Firma G. sei wirtschaftlich wertlos gewesen; durch den Niedergang dieser Firma und die damit einhergehende persönliche Insolvenz des Antragstellers sei es nicht zur Bezahlung der Forderung des Büchsenmachers gekommen. Seine Jagdwaffen habe der Antragsteller bereits im Januar 1999 bei gleichzeitiger Vereinbarung eines Besitzmittlungskonstituts seinem Vater für ein Darlehen sicherungsübereignet. Mit der verhängten Gesamtgeldstrafe von 60 Tagessätzen werde die Grenze aus § 5 Abs. 2 WaffG lediglich gestreift. Wenn der Antragsteller gegen den rechtskräftig gewordenen Strafbefehl rechtzeitig verteidigt gewesen wäre, wäre schon im Hinblick auf die jagd- und waffenrechtlichen Folgen eine Einigung mit dem Gericht dahingehend möglich gewesen, dass die Gesamtzahl von 60 Tagessätzen geringfügig unterschritten worden wäre und dafür im Gegenzug die Höhe des einzelnen Tagessatzes leicht erhöht worden wäre. Der Antragsteller sei in Dänemark Inhaber der Firma „H.“ in I.. Diese Firma habe die Lizenz zum Waffenhandel. Sie sei danach auch ohne Weiteres berechtigt, die heute auf der Waffenbesitzkarte des Antragstellers eingetragenen und im Sicherungseigentum seines Vaters stehenden Jagdwaffen zu erwerben und zu besitzen. Falls das Widerspruchsverfahren für den Antragsteller negativ verlaufen würde, dann müsste der Antragsteller seine Jagdwaffen lediglich auf seine dänische Firma, also auf sich selbst übertragen, um den Formalitäten der Anordnung der sofortigen Vollziehung zu genügen. Es werde deswegen vorsorglich und hilfsweise angeregt, auf die Durchsetzung der sofortigen Vollziehung der jagd- und waffenrechtlichen Verfügung zu verzichten, falls beabsichtigt sein sollte, dem Widerspruch nicht stattzugeben.
- [7]
- Am 10. Januar 2005 suchten zwei Bedienstete des Antragsgegners das Zweifamilienhaus in A-Stadt auf, unter dessen Anschrift der Antragsteller mit seinem Wohnsitz gemeldet ist und wo auch sein Vater wohnt. Der Antragsteller wurde nicht angetroffen. Sein Vater sagte, er könne sich über den Verbleib der Waffen nicht äußern. Auf Antrag des Landrats ordnete das Amtsgericht A-Stadt mit Beschluss vom 07.02.2005 gemäß §§ 38, 39 und 40 HSOG das Öffnen, Betreten und Durchsuchen der Wohnung des Antragstellers auf dem Anwesen in A-Stadt zum Zwecke des Auffindens und der Sicherstellung der in den Waffenbesitzkarten eingetragenen 16 Schusswaffen an. Der Beschluss bestimmt, dass diese Anordnung ihre Wirksamkeit verliert, wenn sie nicht bis zum 06.05.2005 vollzogen ist. Ob die angeordnete Wohnungsdurchsuchung erfolgte, ergibt sich aus den vorgelegten Verwaltungsvorgängen und dem schriftlichen Vorbringen der Beteiligten nicht.
- [8]
- Am 20.05.2005 hat der anwaltlich vertretene Antragsteller bei Gericht beantragt, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 06.08.2004 gegen die jagd- und waffenrechtliche Verfügung des Antragsgegners vom 08.07.2004 wiederherzustellen. Ergänzend zu seinen Schreiben im Widerspruchsverfahren bringt der Anwalt vor, die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 des Waffengesetzes greife nicht. Gemäß einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. April 1999, Az. 1 B 61/92, sei eine Überprüfung der strafrechtlichen Entscheidung dann veranlasst, wenn ohne Weiteres erkennbar sei, dass die Verurteilung auf einem Irrtum beruhe oder wenn die Verwaltungsbehörde oder das Verwaltungsgericht ausnahmsweise in der Lage seien, den Vorfall besser als die Strafverfolgungsbehörde aufzuklären. Beide Fallalternativen seien hier gegeben.
- [9]
- Der Antragsteller beantragt mit seinem am 20.05.2005 gestellten Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 06. August 2004 gegen die jagd- und waffenrechtliche Verfügung des Antragsgegners vom 08. Juli 2004 wiederherzustellen.
- [10]
- Mit dem Hessischen Gesetz zur Kommunalisierung des Landrates vom 21.03.2005 (GVBl I Seite 229) ist nach Artikel 1 § 1 und Artikel 13 Nr. 2 des Gesetzes bezüglich der waffenrechtlichen Verfügung der Landrat die zuständige Behörde des Landkreises geworden und ist zuständige Behörde bezüglich der jagdrechtlichen Verfügung gemäß Artikel 24 des Gesetzes der Kreisausschuss. Das Gericht hat daher das Verfahren unter dem Aktenzeichen 9 G 1238/05 als waffenrechtliches Verfahren angelegt und betrieben und das jagdrechtliche Verfahren unter dem anderen Aktenzeichen 9 G 1239/05.
- [11]
- Der Antragsgegner hat in beiden Verfahren beantragt, den Antrag zurückzuweisen.
- [12]
- Im vorliegenden waffenrechtlichen Verfahren bringt der Anwalt des Antragstellers vor, die getroffene Anordnung einer sofortigen Vollziehung setze ein besonderes öffentliches Interesse voraus, welches im konkreten Fall nicht gegeben sei. Aus der Akte würden sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Antragsteller jemals mit Schusswaffen oder Munition leichtfertig umgegangen sei. Er sei bis auf den in diesem Verfahren relevanten Strafbefehl immer straffrei durch sein Leben gegangen. Im Waffengesetz finde sich kein Hinweis darauf, dass bei Einziehung jagd- und waffenrechtlicher Erlaubnisse grundsätzlich und in jedem Fall die sofortige Vollziehung anzuordnen sei, ohne dass zunächst durch Interessenabwägung festzustellen wäre, ob tatsächlich ein überwiegendes öffentliches Interesse für die Anordnung der sofortigen Vollziehung vorliege. Schließlich schütze Artikel 19 Abs. 4 des Grundgesetzes auch gegen vorläufige Rechtsnachteile. Hinsichtlich des zu schützenden Individualinteresses des Antragstellers werde auch zu berücksichtigen sein, dass die angeordnete sofortige Vollziehung zum Verlust der wirtschaftlichen Existenz des Antragstellers, nämlich seiner Waffenhandelsfirma in Dänemark, führen würde. Da der Antragsteller geschäftlich in Dänemark tätig sei und die Waffen in zulässiger und sicherer Form in dem Haus verwahrt würden, welches von seinem Vater bewohnt werde, habe der Antragsteller die Waffen nicht sofort auf Anordnung der Behörden vorzeigen können.
- [13]
- Das Regierungspräsidium Darmstadt wies mit Widerspruchsbescheid vom 26.09.2005 den Widerspruch des Antragstellers gegen den waffenrechtlichen Teil der Verfügung des Landrats vom 08.07.2004 als unbegründet zurück. In den Gründen des Widerspruchsbescheides heißt es unter anderem, die abstrakte Gefährlichkeit von Schusswaffen gebiete eine restriktive Auslegung, wenn von der Regelvermutung der Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 WaffG abgewichen werden solle. Das Gesetz wolle ganz allgemein verhindern, dass Waffen in die Hände von Personen gelangen, die nach ihrem Verhalten kein Vertrauen verdienen, dass sie jederzeit und in jeder Hinsicht mit Waffen sorgsam umgehen. Gegen die waffenrechtliche Zuverlässigkeit des Antragstellers spreche auch, dass dieser der Aufforderung der örtlichen Waffenbehörde nicht sofort Folge geleistet habe, die laut Waffenbesitzkarten in seinem Besitz befindlichen Schusswaffen der Behörde zur Überprüfung vorzuzeigen. Erst nach über zwei Monaten und mehrmaliger Aufforderung sei zunächst nur eine Langwaffe vorgezeigt worden, die restlichen Waffen erst nach einer weiteren Woche. Das als Möglichkeit angekündigte Verbringen der Waffen zu der Einzelhandelsfirma des Antragstellers nach Dänemark wäre ohne die nach § 31 WaffG erforderliche Erlaubnis eine Straftat.
- [14]
- Am 25.10.2005 hat der Antragsteller wegen des Widerrufs der waffenrechtlichen Erlaubnisse Klage auf Aufhebung des Bescheides vom 08.07.2004 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 26.09.2005 erhoben (VG Gießen 9 E 3453/05).
- [15]
- Im Übrigen wird auf die Gerichtsakten dieses Eilverfahrens sowie des jagdrechtlichen Eilverfahrens 9 G 1239/05, des waffenrechtlichen Klageverfahrens 9 E 3453/05 und des jagdrechtlichen Klageverfahrens 9 E 4005/05 sowie auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
»ENDE DES DOKUMENTAUSZUGS«