VG München | M 7 K 15.5177 | 09.03.2016
- Details
- vom Mittwoch, 09. März 2016 01:00
Bibliografie
Inhalt» Bibliografie» Entscheidungstext» Verfahrensgang» Inside-Zitate» Outside-Zitate
Gericht: | |
Verwaltungsgericht München (VG München) | |
Aktenzeichen: | Entscheidungsdatum: |
M 7 K 15.5177 | 09.03.2016 |
Spruchkörper: | Entscheidungsform: |
7. Kammer | Urteil |
ECLI: | |
ECLI:DE:VGMUENC:2016:0309.M7K15.5177.0A | |
Normen: | Jur. Bedeutung: |
§ 45 Abs. 2 WaffGV-SUCHE, § 46 Abs. 2 WaffGV-SUCHE, § 46 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, 3 WaffGV-SUCHE, § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffGV-SUCHE, § 5 Abs. 5 WaffGV-SUCHE, § 46 Abs. 2 oder 3 WaffGV-SUCHE | |
Schlüsselwörter: | Volltext: |
V-SUCHERocker, Waffenbesitzkarte, Erlaubnis, Straftaten, Straftat, Verein, Unzuverlässigkeit, Gefahr, Verbot, Zuverlässigkeit | |
Referenz: | Permalink: |
LDJR 2016, 5499 https://lexdejur.de/ldjr5499 | LINK (+/-) |
Zitierweise: | Tipp: |
VG München, Urteil vom 09. März 2016 - M 7 K 15.5177 [ECLI:DE:VGMUENC:2016:0309.M7K15.5177.0A] - lexdejur VG München, Urteil vom 09. März 2016 - M 7 K 15.5177 - lexdejur | ECLI (+/-) |
Entscheidungstext
[ECLI:DE:VGMUENC:2016:0309.M7K15.5177.0A]
LDJR 2016, 5499
V o r s p a n n
In der Verwaltungsstreitsache
- Kläger -
g e g e n
Landratsamt Dachau [...],
- Beklagter -
w e g e n
Widerrufs der Waffenbesitzkarte
erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht München, 7. Kammer, [...] aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 9. März 2016 am 9. März 2016 folgendes Urteil:
T e n o r
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d
- [1]
- Der Kläger, ein Sportschütze, wendet sich gegen den Widerruf der ihm am [...]. Juli 19 erteilten Waffenbesitzkarte, in die ein Revolver, eine halbautomatische Pistole und eine Langwaffe eingetragen sind.
- [2]
- Aufgrund des Verdachts, dass der Kläger dem Bandidos Motorcycle Club (MC) [...] angehört, leitete die Waffenbehörde des Landratsamtes Dachau (im Folgenden: Landratsamt) Ende 2012 eine waffenrechtliche Überprüfung des Klägers ein und richtete Anfragen an verschiedene Stellen, darunter die Polizei. Mit Schreiben vom [...]. Mai 2013 teilte die Kriminalpolizeiinspektion [...] unter Hinweis auf ein ministerielles Schreiben vom 6. Oktober 2010 dem Landratsamt mit, dass der Kläger langjähriges Member (Mitglied) des Rockerclubs Bandidos MC [...] sei, und regte eine waffenrechtliche Überprüfung an. Nachfolgend wurden Erkenntnisse übermittelt, wonach beim Kläger und drei weiteren Personen am [...]. März 2013 eine Wohnungsdurchsuchung wegen des Verdachts des Waffenerwerbs durch den Bandidos MC [...] stattgefunden hat, die jedoch nichts Tatrelevantes erbracht hat. Das Ermittlungsverfahren ist mit Verfügung der Staatsanwaltschaft [...] vom [...]. Juni 2013 gem. § 170 Abs. 2 StPO aus tatsächlichen Gründen eingestellt worden. Mit Schreiben vom [...]. November 2013 teilte die Kriminalpolizeiinspektion [...] mit, der Kläger sei zuletzt als Teilnehmer beim „National Run des Bandidos MC Europe“ vom 26. bis 28. Juli 2013 in Spanien gesichert festgestellt worden. Er sei dort als Member mit Kutte und Full-Patch des Bandidos MC [...] aufgetreten. Beigefügt waren zwei Fotos des Klägers, die ihn im Kreis von Clubangehörigen zeigen.
- [3]
- Daraufhin hörte das Landratsamt den Kläger mit Schreiben vom [...]. November 2013 zum Widerruf seiner Waffenbesitzkarte an. Dazu führte der Bevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom [...]. November 2013 aus, dass eine Mitgliedschaft beim Bandidos MC [...] den Tatbestand des § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG nicht erfülle, da dieser eine auf Tatsachen gestützte Prognose verlange. Es bestehe nicht der geringste Anlass für eine zu prognostizierende hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Fehlverhaltens. Der Kläger habe seine Waffen außer zum Sportschießen nie benutzt. Er sei seit 19 Mitglied im [...]schützen. Aufgrund der Mitgliedschaft in einem Motorradclub könne nicht unterstellt werden, dass er die Waffen Unbefugten überlassen werde. Er verwahre sie unter strengem Alleinverschluss in dem gesetzlich vorgeschriebenen Tresor. Er sei nicht vorbestraft, habe keine Punkte in Flensburg; gegen ihn laufe kein strafrechtliches Ermittlungsverfahren. Er stehe in einem festen Arbeitsverhältnis im [...]gewerbe und habe die Waffenbesitzkarte seit [...]0 Jahren inne, ohne dass sich zum Widerruf berechtigende Tatsachen ergeben hätten.
- [4]
- Mit Bescheid vom [...]. Januar 2014 widerrief das Landratsamt gestützt auf § 45 Abs. 2 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 a und c WaffG die dem Kläger am [...]. Juli 19 erteilte Waffenbesitzkarte Nr. [...] (Nummer 1) und gab ihm auf, die in der Waffenbesitzkarte eingetragenen Waffen innerhalb einer Woche nach Bestandskraft dieses Bescheides an einen Berechtigten zu überlassen und dem Landratsamt dies nachzuweisen sowie den jeweiligen Erwerber zu benennen (Nummer 2). Für den Fall des fruchtlosen Fristablaufs wurde die Sicherstellung und Verwertung angekündigt. Ein Verwertungserlös stehe nach Abzug der Verwertungskosten dem Kläger zu (Nummer 3). Weiter wurde der Kläger verpflichtet, die Waffenbesitzkarte innerhalb einer Frist von fünf Werktagen nach Zustellung des Bescheides bzw. - im Falle der Anfechtung des Bescheides - innerhalb von fünf Werktagen nach Bestandskraft des Bescheides zurückzugeben (Nummer 4), und ihm widrigenfalls ein Zwangsgeld in Höhe von 100,- EUR angedroht sowie die Waffenbesitzkarte zur Fahndung ausgeschrieben (Nummer 5). Für die Nummern 2 bis 4 wurde die sofortige Vollziehung angeordnet (Nummer 6). In den Gründen des Bescheides wird ausgeführt, die Widerrufsgründe seien aufgrund der Mitgliedschaft des Klägers bei den Bandidos MC [...] erfüllt. Dieser Rockerclub gehöre zu den sog. Outlaw Motorcycle Gangs (OMCG) und damit den sog. 1%er Rockergruppierungen, in deren Umfeld typische Delikte der Organisierten Kriminalität begangen würden. Es lägen Erkenntnisse vor, dass sich in den vergangenen Jahren die Gewaltbereitschaft, die Mitgliederzahl und das Eskalationspotential der OMCGs deutlich verschärft hätten. Auch wenn der Kläger sich nichts habe zuschulden kommen lassen, so sei er doch nicht von den strengen hierarchischen Strukturen ausgenommen, die für ein OMCG-Mitglied gelten würden. Die Waffenbehörde schließe sich der Rechtsauffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs in seinen Entscheidungen vom 10. Oktober 2013 an, wonach die Nähe der Rockergruppierungen zur Organisierten Kriminalität die Prognose der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit rechtfertige. Insofern sei nicht isoliert auf ein bestimmtes Chapter abzustellen, denn das Milieu, in dem sich der betroffene potentielle Waffenträger bewege, werde durch das gesamte soziale Umfeld bestimmt. Auch wenn in den den Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zugrundeliegenden Fällen herausgehobene Mitglieder bayerischer OMCGs betroffen gewesen seien, würden die tragenden Erwägungen der Entscheidung uneingeschränkt für alle Mitglieder von OMCGs gelten. Wegen der Nebenverfügungen wird gem. § 117 Abs. 3 VwGO auf die Gründe des angefochtenen Bescheides Bezug genommen.
- [5]
- Gegen den am [...]. Januar 2014 zugestellten Bescheid ließ der Kläger am [...]. Januar 2014 durch seinen Bevollmächtigten Klage (M 7 K 14.298) erheben und zugleich Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz (M 7 S 14.300) stellen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die bloße Mitgliedschaft in einem sog. Motorradrockerclub rechtfertige die Prognose der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit nicht. Seit [...]0 Jahren habe der Kläger seine Waffen nur rechtmäßig benutzt. Vor diesem Hintergrund stütze sich die Prognose, der Kläger werde plötzlich missbräuchlich oder leichtfertig eine Waffe verwenden bzw. sie einer Person überlassen, die zur Ausübung der Gewalt über diese Waffe nicht berechtigt sei, nicht auf Tatsachen. Insoweit bestehe nicht einmal ein Restrisiko. Ohne irgendwelche Anhaltspunkte könne nicht unterstellt werden, die Mitgliedschaft des Klägers im Bandidos MC [...] sei darauf ausgerichtet, an kriminellen Aktivitäten teilzuhaben. Dieser Vortrag erfülle an sich den Tatbestand einer Beleidigung gegen den Kläger, der sich in keiner Hinsicht etwas habe zuschulden kommen lassen. Er bewege sich weder in einem Milieu, in dem üblicherweise Straftaten begangen würden, noch zähle er zu den Führungsfiguren in dem Motorradclub. Er stehe in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis im [...]gewerbe, wo ohnehin ständig überprüft werde, ob kein Ermittlungsverfahren gegen ihn anhängig sei. Auch die kurze Frist, die dem Kläger zur Abgabe der Waffenbesitzkarte eingeräumt worden sei, sei rechtswidrig. Sie zwinge ihn dazu, teure Waffen zu verschleudern oder zu verschenken.
- [6]
- Die Beklagte beantragte mit Schreiben vom [...]. Februar 2014 unter Bezug auf den angefochtenen Bescheid und jüngere obergerichtliche Rechtsprechung, die Klage abzuweisen.
- [7]
- Mit Schreiben vom [...]. Februar 2014 regte der Bevollmächtigte des Klägers unter Bezug auf ein beim Bundesverwaltungsgericht anhängiges Revisionsverfahren (» Bundesverwaltungsgericht">6 C 1.14) in einem ähnlich gelagerten Fall (21 BV 12.1280) an, das Verfahren in der Hauptsache bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts auszusetzen. Nach Zustimmung des Beklagten im Schreiben vom 13. Februar 2014 wurde mit Gerichtsbeschluss vom 4. März 2014 das Ruhen des Klageverfahrens angeordnet.
- [8]
- Mit am 17. März 2014 zugestelltem Bescheid vom [...]. März 2014 änderte das Landratsamt - unter ausdrücklicher Aufrechterhaltung der Nummern 1, 3 und 5 - 8 des Ausgangsbescheides - diesen in Nummern 2 und 4 dahin ab, dass die in die Waffenbesitzkarte eingetragenen Waffen innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung dieses Bescheides an einen Berechtigten zu überlassen oder dauerhaft unbrauchbar zu machen seien und dem Landratsamt dies nachzuweisen sowie der jeweilige Erwerber unverzüglich zu benennen sei (Nummer 1). Die Waffenbesitzkarte sei innerhalb von fünf Werktagen nach Überlassung oder Unbrauchbarmachung der Waffen an das Landratsamt zurückzugeben (Nummer 2). Für die Nummer 1 des Änderungsbescheides werde die sofortige Vollziehung angeordnet (Nummer 3).
- [9]
- Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom [...]. März 2014 focht der Kläger auch den Änderungsbescheid vom [...]. März 2014 an und stellte wiederum Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz. Zur Begründung wurde auf die Klageschrift verwiesen und darüber hinaus ausgeführt, Nummer 1 des Änderungsbescheides könne nicht auf § 46 Abs. 3 Satz Nr. 1 und 3 WaffG gestützt werden, da diese Vorschrift nur darauf abstelle, ob der Waffenbesitz ohne die erforderliche Erlaubnis oder entgegen einem vollziehbaren Verbot nach § 41 Abs. 1 oder Abs. 2 WaffG ausgeübt werde. Die klägerischen Waffen unterlägen jedoch der Erlaubnispflicht. Es sei daher ein vollziehbares Verbot anzuordnen. In den vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof entschiedenen Fällen sei es um den Widerruf waffenrechtlicher Erlaubnisse von herausgehobenen Mitgliedern bayerischer Chapter des Bandidos MC gegangen. Sie könnten nicht auf alle Mitglieder ausgedehnt werden, insbesondere wenn wie beim Kläger ein [...]0jähriger unbeanstandeter Waffenbesitz gegeben sei. Eine milieuspezifische Betrachtungsweise könne nicht unter § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG subsumiert werden, weil diese Vorschrift das Vorliegen von Tatsachen voraussetze und Betrachtungsweisen gerade nicht genügten.
- [10]
- Mit Schreiben vom [...]. Mai 2014 teilte der Bevollmächtigte auf Anfrage des Gerichts mit, ein genauer Zeitpunkt, seit dem der Kläger den Bandidos MC [...] angehöre, könne nicht angegeben werden, da sich eine Aufnahme in den Club über einen langen Zeitraum hinweg entwickelt habe. Seit zweieinhalb Jahren sei der Kläger „Vollmember“ ohne Funktion und Aufgabenbereich. Allerdings verkehre er seit ca. seinem 16. Lebensjahr bei verschiedenen Motorradclubs wie den [...], den [...] und schließlich den Bandidos. Er kenne aber diese Leute schon seit über 30 Jahren aus anderen Clubs aus gemeinsamer Arbeit im [...]bereich, Sportveranstaltungen und Fitness-Studios etc.. Der Kläger treffe sich regelmäßig mit seinem Chapter und fahre etwa einmal im Monat auf eine sog. Bandidos-Party. Unter der Woche gehe er seiner Berufstätigkeit nach. Lediglich am Wochenende fahre er Motorrad, ca. 17.000 km im Jahr. Daraus ergebe sich, dass das Motorradfahren im Vordergrund stehe. Die Waffen habe der Kläger bereits besessen, als er noch den [...] angehört habe.
- [11]
- Mit Beschluss vom 24. Juli 2014 lehnte das Gericht die Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz ab. Die hiergegen gerichtete Beschwerde wies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof aufgrund einer Interessenabwägung mit Beschluss vom 1. Oktober 2014 (21 CS 14.1765) zurück.
- [12]
- Am 24. November 2014 löste sich der Bandidos MC [...] selbst auf.
- [13]
- Das Bundesverwaltungsgericht wies mit Urteil vom 28. Januar 2015 - 6 C 1/14 - die Revision in dem vom Kläger in seinem Aussetzungsantrag in Bezug genommenen Parallelverfahren zurück.
- [14]
- Mit Schreiben vom [...]. November 2015 beantragte der Klägerbevollmächtigte die Fortsetzung des Verfahrens und führte dazu aus, nach Auskunft des Klägers solle die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts für das anhängige Streitverfahren nicht verwertbar sein. Weiter wurde vorgetragen, der Rockerclub Bandidos [...] habe sich aufgelöst. Nachdem der Widerrufstatbestand weggefallen sei, sei der Entzug der Waffenbesitzkarte unrechtmäßig, unabhängig davon, ob der Kläger in diesem Club ein Amt oder eine Funktion innegehabt bzw. auszuüben gehabt habe. Nach wie vor sei er nicht vorbestraft. Die Waffen seien mittlerweile an einen Berechtigten überlassen und die Waffenbesitzkarte an die Behörde zurückgegeben worden. Mit Schreiben vom [...]. Februar 2016 wurde über das bisherige Klagevorbringen hinaus weiter vorgetragen, nach Auflösung des Chapters [...] sei der Kläger jetzt Mitglied beim Chapter [...]. Es handele sich um ein neues Chapter, dessen Zusammenkunft und Sinn ausschließlich im Motorradfahren und in der Geselligkeit liege. Die ministerielle Weisung an die Waffenbehörden, die Waffen von Angehörigen der sog. Rockerszene zu widerrufen und Waffenbesitzverbote auszusprechen, sei unzulässig, desgleichen die korrespondierende Mitteilungspflicht der Polizei. Dies offenbare eine anlassunabhängige Kriminalisierungsstrategie bei der Bekämpfung der Rockerkriminalität. Den Mitgliedern von Rockervereinen drohe die kollektive Entrechtung. In diesem Zusammenhang erwiesen sich die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom Januar 2015 als problematisch. Das Bundesverwaltungsgericht habe sich auf die Prüfung von Rechtsfragen beschränkt und die vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in den Parallelverfahren getroffenen Tatsachenfeststellungen zur Gefährlichkeit und Gewaltgeneigtheit der Rockerszene ungeprüft zugrunde gelegt. Die maßgebliche Frage nach dem Missbrauchsrisiko könne jedoch nur dann beantwortet werden, wenn eingehend geprüft werde, wie viele Waffen im Rahmen von Streitigkeiten innerhalb der Rockerszene verwendet und wie viele hiervon legal durch Mitglieder der MCs erworben und anderen Mitgliedern zur missbräuchlichen Verwendung überlassen würden. Fragwürdig sei auch, dass die Obergerichte die Kriminalitätsbelastung der MCs bundesweit betrachtet und das möglicherweise kriminelle Verhalten von Mitgliedern eines Chapters unbelasteten Mitgliedern eines anderen Chapters aufgrund einer Milieu- bzw. Gruppenzugehörigkeit zugerechnet hätten. Dies führe dazu, dass die Art und Weise der Lebensführung unter Verwaltungsstrafe gestellt werde, und lasse sich mit der Garantie der Menschenwürde nicht vereinbaren, wonach kein Individuum zum Gegenstand einer typisierenden Betrachtungsweise gemacht werden dürfe. Im Gegensatz dazu differenziere der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 9. Juli 2015 - 3 StR 33/15 - sehr genau, inwieweit das jeweilige Chapter der Bandidos Nähe zur organisierten Kriminalität aufweise. Auch Vereinsverbote bezögen sich nicht auf die national oder gar weltweit agierende Dachorganisation, sondern allein auf regionale Unterabteilungen, deren Zwecke den Strafgesetzen zuwiderliefen. Für die „nationale Hauptgruppe“ Deutschland oder gar für die Bandidos insgesamt sei eine solche Rechtsfeindlichkeit nicht festgestellt. Die Nähe zur Organisierten Kriminalität (OK), Einbindung in einen hierarchischen Aufbau und Unterwerfung unter einen Ehrenkodex dürfe nicht unterstellt werden. Das beim Kläger unterstellte Restrisiko sei durch nichts nachgewiesen. Der Anteil der großen Motorradclubs an der Kriminalität sei verschwindend gering. Der Bezug auf historische Darstellungen, die im Übrigen auf Deutschland nicht übertragbar seien, und Erkenntnisse amerikanischer Strafverfolgungsbehörden diene lediglich der Stimmungsmache gegen den Kläger. Lediglich der nicht zu beanstandende „Wunsch nach fortdauernder Kameradschaft und nach einem starken Zusammenhalt und das gemeinsame Motorradfahren als verbindendes Element der Gruppen und das dabei empfundene Gefühl intensiver Lebendigkeit und Freiheit“ dürfte bei den hier in Deutschland in der Gegenwart existierenden MCs vorhanden sein. Eine Vergleichbarkeit mit kriminellen Vereinigungen sei weder zwingend noch nachgewiesen. Während der Verfassungsschutz eine „Nähe einzelner Mitglieder zur OK“ feststelle, so widerspreche dies der Feststellung des Bundeskriminalamtes. Die Bezugnahme auf das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 10. Oktober 2013 sei schon deshalb unzulässig, weil dieses darauf abgestellt habe, dass der Kläger als [...] des Bandidos MC [...] eine hervorgehoben Funktion innegehabt habe. Der Kläger im hiesigen Verfahren gehöre nicht zu den sog. „One-Percenter“ eines MCs und sei völlig unbescholten. Die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes und der Polizei seien unsubstantiiert und widersprächen sich. Bei aller auffindbaren Literatur über den MC Bandidos im Internet falle auf, dass bei Durchsuchungen der Polizei nahezu ausschließlich sog. „kalte Waffen“ wie Messer, Totschläger, Skalpelle o.ä. gefunden worden seien, nicht jedoch Schusswaffen. Der Vorwurf, dass der lebenslange Zusammenhalt in dem jeweiligen MC Grund genug sein solle, die waffenrechtliche Unzuverlässigkeitsprognose stellen zu können, würde bedeuten, dass dies auch für Mitglieder von z.B. (schlagenden) Studentenverbindungen oder Rotary-Clubs zu gelten hätte, wenn in diesen auf lebenslange Mitgliedschaft gründenden Vereinigungen z.B. Einzelfälle von Steuerhinterziehungen vorkämen, Straftaten, die ebenfalls eine Regelunzuverlässigkeit begründeten. Ebenso anzugreifen sei der Kriminalisierungsversuch durch die Anwendung des Begriffs OMCG, der für eine Protestbewegung in der Country-Musik stehe. Outlaw bezeichne nicht jemanden, der sich selbst als außerhalb des Gesetzes stehend sehe und kriminell handele, sondern einen - möglicherweise zu Unrecht - aus der Gesellschaft Ausgestoßenen. Der Zusammenschluss von sich als ausgestoßen fühlenden Personen führe nicht zwingend zu kriminellen Aktivitäten, wie vom Beklagten offensichtlich unterstellt. Es befremde, dass die großangelegte Durchsuchungsaktion, die eigentlich dem [...] MC und nicht dem Bandidos MC gegolten und nichts Tatrelevantes erbracht habe, zum Nachweis der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit herangezogen werde. Nachdem der Kläger alle gerichtlich gestellten Fragen beantwortet habe, werde ihm das jetzt zum Nachteil ausgelegt. Er sei ein Motorradfahrer „Old School“. Es gehe ihm nur um das Motorradfahren selbst, das Clubleben und das „Party machen“. Er nehme an Aktivitäten des Chapters teil, wobei es sich nur um solche der „Old School“ handele. Er gehe einer geregelten Arbeit nach, beginne zwischen 5:30 und 6:00 Uhr zu arbeiten und leiste 300 Überstunden im Jahr. Zusätzlich habe er noch einen 420,- EUR-Job bei einer Firma im [...]gewerbe. Schon aus zeitlichen Gründen bleibe ihm keine Zeit für irgendwelche ihm unterstellten kriminellen Aktivitäten. Die One-Percenter seien wirkliche Outlaws. Sie arbeiteten nicht, hätten keinen Wohnsitz und könnten in unserer Gesellschaft gar nicht mehr existieren. Sämtliche Member automatisch und ungeprüft zu One-Percentern zu erklären, sei unzulässig. Auch die Ansicht, dass ein Member zu lebenslänglicher Clubzugehörigkeit verpflichtet sei, sei unrichtig. Der Kläger könne jederzeit aus den Bandidos austreten. Bei der großen Aktion am [...]. März 2013 (Ermittlungsgruppe [...]), auf die sich die Landesanwaltschaft in ihrem Schriftsatz vom [...]. September 2014 berufe, mögen wohl u.a. 54 Kurz- und Langwaffen sowie 2.000 Schuss Munition sichergestellt worden sein, nicht jedoch bei dem Bandidos MC. Der Begriff Rockerszene bedeute nicht automatisch Bandidos. Tatsache sei, dass die genannte Anzahl von Waffen bei Privatpersonen sichergestellt worden seien. Ferner seien die Waffen insgesamt wieder zurückgegeben worden, weil es sich bei ihnen, mit Ausnahme einer alten Flinte, um legale Waffen gehandelt habe. OK- und Rockergruppierungen müssten nicht zwangsläufig Motorradclubs sein und noch weniger zwangsläufig ein einziger Motorradclub wie der Bandidos MC.
- [15]
- In der mündlichen Verhandlung am 9. März 2016 wurde ein Sachbearbeiter des Bayerischen Landeskriminalamtes aus dem Bereich Rockerkriminalität als sachverständiger Zeuge gehört. Der Kläger beantragte, den Bescheid des Beklagten vom [...]. Januar 2014 in der Fassung des Änderungsbescheides vom [...]. März 2014 aufzuheben.
- [16]
- Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gem. § 117 Abs. 3 VwGO auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
Ende des Dokumentauszugs
Sie benötigen den Volltext?
Bitte melden Sie sich an.
Sie haben noch kein Konto? Sichern Sie sich jetzt Ihre persönliche Lizenz JudikatePRO©. Jetzt verbindlich bestellen!
VGH München | 21 CS 14.1765 | 01.10.2014
[ECLI:DE:BAYVGH:2014:1001.21CS14.1765.0A]
LDJR 2014, 1118
V o r s p a n n
In der Verwaltungsstreitsache
- Antragsteller -
g e g e n
Freistaat Bayern [...],
- Antragsgegner -
w e g e n
Widerrufs der Waffenbesitzkarte (Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO)
hier: Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 24. Juli 2014
erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 21. Senat, [...] ohne mündliche Verhandlung am 1. Oktober 2014 folgenden Beschluss:
T e n o r
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.250,-- EUR festgesetzt.
T a t b e s t a n d
I.
- [1]
- Der Antragsteller verfolgt mit seiner Beschwerde sein Rechtsschutzziel weiter, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid des Landratsamts [...] vom 17. Januar [...] in der Fassung des Änderungsbescheids vom 13. März [...] anzuordnen bzw. sinngemäß wiederherzustellen.
- [2]
- Mit Bescheid vom 17. Januar [...] in der Fassung des Änderungsbescheids vom 13. März [...] widerrief das Landratsamt [...] gestützt auf § 45 Abs. 2, § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und c WaffG die dem Antragsteller erteilte waffenrechtliche Erlaubnis (Nr. 1) und gab dem Antragsteller auf, die in der Waffenbesitzkarte eingetragenen Waffen innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Änderungsbescheids einem Berechtigten zu überlassen oder dauerhaft unbrauchbar zu machen und dem Landratsamt dies nachzuweisen sowie den jeweiligen Erwerber unverzüglich zu benennen und dem Landratsamt dies nachzuweisen (Nr. 2). Für den Fall des fruchtlosen Fristablaufs wurde die Sicherstellung und Verwertung angedroht. Ein Verwertungserlös stehe nach Abzug der Verwertungskosten dem Antragsteller zu (Nr. 3). Weiter wurde der Antragsteller verpflichtet, die Waffenbesitzkarte innerhalb einer Frist von fünf Werktagen nach Überlassung oder Unbrauchbarmachung der Waffen an das Landratsamt zurückzugeben (Nr. 4). Für die Nrn. 2 bis 4 des Bescheids wurde die sofortige Vollziehung angeordnet (Nr. 6).
- [3]
- Vorausgegangen war, dass dem Landratsamt [...] Ende des Jahres [...] bekannt wurde, dass der Antragsteller Mitglied des [...] Regensburg ist. Mit Schreiben vom 17. Mai [...] teilte die Kriminalinspektion [...] dem Landratsamt [...] mit, dass der Antragsteller langjähriges Mitglied dort sei.
- [4]
- Nachfolgend wurden Erkenntnisse übermittelt, wonach beim Antragsteller und drei weiteren Personen eine Wohnungsdurchsuchung wegen des Verdachts des Waffenerwerbs durch den [...] Regensburg stattgefunden habe, die jedoch nichts Tatrelevantes erbracht habe, weshalb das Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft aus tatsächlichen Gründen eingestellt wurde. Mit Schreiben vom 15. November [...] teilte die Kriminalpolizeiinspektion [...] mit, dass der Antragsteller zuletzt als Teilnehmer einer Veranstaltung des [...] Europe vom 26. bis 28. Juli [...] in Spanien gesichert festgestellt worden und dort als Member mit Kutte und Full-Patch des [...] Regensburg aufgetreten sei.
- [5]
- Das Verwaltungsgericht [...] hat den Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 17. Januar [...] und den Änderungsbescheid vom 13. März [...] anzuordnen bzw. wiederherzustellen, mit Beschluss vom 24. Juli [...] abgelehnt.
- [6]
- Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der der Antragsteller sein Ziel weiterverfolgt, die Anordnung bzw. sinngemäß auch die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Widerruf der Waffenbesitzkarte bzw. die weiter verfügten Maßnahmen zu erreichen.
»ENDE DES DOKUMENTAUSZUGS«
VG München | M 7 S 14.300 | 24.07.2014
[ECLI:DE:VGMUENC:2014:0724.M7S14.300.0A]
LDJR 2014, 1145
V o r s p a n n
In der Verwaltungsstreitsache
- Antragsteller -
g e g e n
Landratsamt […],
- Antragsgegner -
w e g e n
Widerrufs der Waffenbesitzkarte
hier: Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO
erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht München, 7. Kammer, [...] ohne mündliche Verhandlung am 24. Juli 2014 folgenden Beschluss:
T e n o r
I. Die Anträge werden abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten der Verfahren.
III. Der Streitwert wird auf 4.875,- EUR festgesetzt.
T a t b e s t a n d
I.
- [1]
- Der Antragsteller, ein Sportschütze, wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen den Widerruf der ihm am […] 1994 erteilten Waffenbesitzkarte, in die ein Revolver, eine halbautomatische Pistole und eine Langwaffe eingetragen sind.
- [2]
- Ende 2012 wurde der Waffenbehörde des Landratsamtes […] (im Folgenden: Landratsamt) bekannt, dass der Antragsteller Mitglied des […] ist. Mit Schreiben vom […] 2013 teilte die Kriminalpolizeiinspektion […] unter Hinweis auf das Interministerielle Schreiben vom […] 2010 - […] - dem Landratsamt mit, dass der Antragsteller langjähriges Member (Mitglied) des Rockerclubs […] sei. Nachfolgend wurden Erkenntnisse übermittelt, wonach beim Antragsteller und drei weiteren Personen am […] 2013 eine Wohnungsdurchsuchung wegen des Verdachts des Waffenerwerbs durch den […] stattgefunden hat, die jedoch nichts Tatrelevantes erbracht hat. Das Ermittlungsverfahren ist mit Verfügung der Staatsanwaltschaft […] vom […] 2013 gem. § 170 Abs. 2 StPO aus tatsächlichen Gründen eingestellt worden. Mit Schreiben vom […] 2013 teilte die Kriminalpolizeiinspektion […] mit, der Antragsteller sei zuletzt als Teilnehmer beim „National Run des […]“ vom […] 2013 in Spanien gesichert festgestellt worden. Er sei dort als Member mit Kutte und Full-Patch des […] aufgetreten. Beigefügt waren zwei Fotos des Antragstellers, die ihn im Kreis von Clubangehörigen zeigen.
- [3]
- Daraufhin hörte das Landratsamt den Antragsteller mit Schreiben vom […] November 2013 zum Widerruf seiner Waffenbesitzkarte an. Dazu führte der Bevollmächtigte des Antragstellers mit Schreiben vom […] 2013 aus, dass eine Mitgliedschaft beim […] den Tatbestand des § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG nicht erfülle, da dieser eine auf Tatsachen gestützte Prognose verlange. Es bestehe nicht der geringste Anlass für eine zu prognostizierende hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Fehlverhaltens. Der Antragsteller habe seine Waffen außer zum Sportschießen nie benutzt. Er sei seit 1994 Mitglied im Bund Deutscher Sportschützen. Aufgrund der Mitgliedschaft in einem Motorradclub könne nicht unterstellt werden, dass er die Waffen Unbefugten überlassen werde. Er verwahre sie unter strengem Alleinverschluss in dem gesetzlich vorgeschriebenen Tresor. Er sei nicht vorbestraft, habe keine Punkte in Flensburg; gegen ihn laufe kein strafrechtliches Ermittlungsverfahren. Er stehe in einem festen Arbeitsverhältnis im Sicherheitsgewerbe und habe die Waffenbesitzkarten seit 20 Jahren inne, ohne dass sich zum Widerruf berechtigende Tatsachen ergeben hätten.
- [4]
- Mit Bescheid vom […] 2014 widerrief das Landratsamt gestützt auf § 45 Abs. 2 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 a und c WaffG die dem Antragsteller am […] 1994 erteilte Waffenbesitzkarte Nr. […] (Nummer 1) und gab ihm auf, die in der Waffenbesitzkarte eingetragenen Waffen innerhalb einer Woche nach Bestandskraft dieses Bescheides an einen Berechtigten zu überlassen und dem Landratsamt dies nachzuweisen sowie den jeweiligen Erwerber zu benennen (Nummer 2). Für den Fall des fruchtlosen Fristablaufs wurde die Sicherstellung und Verwertung angedroht. Ein Verwertungserlös stehe nach Abzug der Verwertungskosten dem Antragsteller zu (Nummer 3). Weiter wurde der Antragsteller verpflichtet, die Waffenbesitzkarte innerhalb einer Frist von fünf Werktagen nach Zustellung des Bescheides bzw. - im Falle der Anfechtung des Bescheides - innerhalb von fünf Werktagen nach Bestandskraft des Bescheides zurückzugeben (Nummer 4), und ihm widrigenfalls ein Zwangsgeld in Höhe von 100,- EUR angedroht sowie die Waffenbesitzkarte zur Fahndung ausgeschrieben (Nummer 5). Für die Nummern 2 bis 4 wurde die sofortige Vollziehung angeordnet (Nummer 6). In den Gründen des Bescheides wird ausgeführt, die Widerrufsgründe seien aufgrund der Mitgliedschaft des Antragstellers bei den […] erfüllt. Dieser Rockerclub gehöre zu den sog. Outlaw Motorcycle Gangs (OMCG) und damit den sog. 1%er Rockergruppierungen, in deren Umfeld typische Delikte der Organisierten Kriminalität begangen würden. Es lägen Erkenntnisse vor, dass sich in den vergangenen Jahren die Gewaltbereitschaft, die Mitgliederzahl und das Eskalationspotential der OMCGs deutlich verschärft hätten. Auch wenn der Antragsteller sich nichts habe zuschulden kommen lassen, so sei er doch nicht von den strengen hierarchischen Strukturen ausgenommen, die für ein OMCG Mitglied gelten würden. Die Waffenbehörde schließe sich der Rechtsauffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs in seinen Entscheidungen vom 10. Oktober 2013 an, wonach die Nähe der Rockergruppierungen zur Organisierten Kriminalität (Rotlichtmilieu, Drogen- und Waffenhandel, Gewalttaten) die Prognose der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit rechtfertige. Insofern sei nicht isoliert auf ein bestimmtes Chapter abzustellen, denn das Milieu, in dem sich der betroffene potentielle Waffenträger bewege, werde durch das gesamt soziale Umfeld bestimmt. Auch wenn in den vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugrundeliegenden Fällen herausgehobene Mitglieder bayerischer OMCGs betroffen gewesen seien, würden die tragenden Erwägungen der Entscheidung uneingeschränkt für alle Mitglieder von OMCGs gelten. Wegen der Nebenverfügungen wird gem. § 117 Abs. 3 VwGO auf die Gründe des angefochtenen Bescheides Bezug genommen.
- [5]
- Gegen den am […] Januar 2014 zugestellten Bescheid ließ der Antragsteller am 23. Januar 2014 durch seinen Bevollmächtigten Klage (M 7 K 14.298) erheben und zugleich beantragen, die sofortige Vollziehung des Bescheides vom […] 2014 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung herzustellen und durch einstweilige Anordnung zu verfügen, dass der Antragsteller seine Waffenbesitzkarte und die in ihr eingetragenen Waffen bis zur Rechtskraft der Entscheidung vorläufig behalten könne und die Zwangsgeldanordnung zurückgewiesen werde.
- [6]
- Zur Begründung wurde ausgeführt, die bloße Mitgliedschaft in einem sog. Motorradrockerclub rechtfertige die Prognose der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit nicht. Seit 20 Jahren habe der Antragsteller seine Waffen nur rechtmäßig benutzt. Vor diesem Hintergrund stütze sich die Prognose, der Antragsteller werde plötzlich missbräuchlich oder leichtfertig eine Waffe verwenden bzw. sie einer Person überlassen, die zur Ausübung der Gewalt über diese Waffe nicht berechtigt sei, nicht auf Tatsachen. Insoweit bestehe nicht einmal ein Restrisiko. Ohne irgendwelche Anhaltspunkte könne nicht unterstellt werden, die Mitgliedschaft des Antragstellers im […] sei darauf ausgerichtet, an kriminellen Aktivitäten teilzuhaben. Dieser Vortrag erfülle an sich den Tatbestand einer Beleidigung gegen den Antragsteller, der sich in keiner Hinsicht etwas habe zuschulden kommen lassen. Er bewege sich weder in einem Milieu, in dem üblicherweise Straftaten begangen würden, noch zähle er zu den Führungsfiguren. Auch die kurze Frist, die dem Antragsteller zur Abgabe der Waffenbesitzkarte eingeräumt worden sei, sei rechtswidrig. Sie zwinge ihn dazu, teure Waffen zu verschleudern oder zu verschenken. Da kein Restrisiko und kein öffentliches Interesse vorhanden seien, bestehe auch kein Grund für den Sofortvollzug. Ein missbräuchlicher Erwerb einer Waffe sei schon deshalb nicht möglich, weil für Sportschützen hierzu ein Voreintrag der Behörde erforderlich sei. Ein etwa möglicher missbräuchlicher Munitionserwerb rechtfertige nicht die Anordnung des Sofortvollzuges, weil sie den unterstellten Missbrauch nicht verhindern könne. Da wegen § 45 Abs. 5 WaffG die Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung habe, sei der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlich. Dasselbe gelte hinsichtlich der Nummer 5 des Tenors. Der Antrag einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO sei deshalb nötig, weil auch bei Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung durch die kurze Fristsetzung von einer Woche bzw. fünf Werktagen in Nummer 2, 4 und 5 des Bescheides durch die Behörde vorschnell vollendete Tatsachen, nämlich der Einzug der Waffen und der Waffenbesitzkarte, geschaffen werden könnten, die für den Kläger wesentliche Nachteile mit sich brächten. Im Rahmen der Interessenabwägung stellten sich die kurzen Fristen vor dem Hintergrund des langjährigen Waffenbesitzes des Klägers als unverhältnismäßig und willkürlich dar. Eine Vorwegnahme der Hauptsache sei hier nicht zu besorgen. Auch wenn im Rahmen der Anfechtungsklage für die einstweilige Anordnung kein Raum zu sein scheine, sei sie hier zulässig, weil dem Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers ansonsten nicht Genüge getan werde. Er habe wegen der ihm von der Behörde gesetzten kurzen Frist nicht vor Klageerhebung die Aussetzung des Vollzugs beantragen können. Es bestehe die Gefahr, dass die aufschiebende Wirkung von der Behörde nicht beachtet werde, weshalb durch einstweilige Anordnung einzugreifen sei.
- [7]
- Die Antragsgegnerin beantragte mit Schreiben vom 3. Februar 2014 unter Bezug auf den angefochtenen Bescheid, die Anträge abzulehnen, und erklärte, bis zur Entscheidung über den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Vollstreckungsmaßnahmen zu verzichten.
- [8]
- Mit Schreiben vom 5. Februar 2014 regte der Bevollmächtigte des Antragstellers unter Bezug auf ein anhängiges Revisionsverfahren (BVerwG 6 C 1.14) in einem ähnlich gelagerten Fall (21 BV 12.1280) an, das Verfahren in der Hauptsache bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts auszusetzen. Nach Zustimmung des Antragsgegners im Schreiben vom 13. Februar 2014 wurde mit Gerichtsbeschluss vom 4. März 2014 das Ruhen des Klageverfahrens angeordnet.
- [9]
- Mit am […] 2014 zugestelltem Bescheid vom […] 2014 änderte das Landratsamt - unter ausdrücklicher Aufrechterhaltung der Nummern 1, 3 und 5 - 8 des Ausgangsbescheides - diesen in Nummern 2 und 4 dahin ab, dass die in die Waffenbesitzkarte eingetragenen Waffen innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung dieses Bescheides an einen Berechtigten zu überlassen oder dauerhaft unbrauchbar zu machen seien und dem Landratsamt dies nachzuweisen sowie der jeweilige Erwerber unverzüglich zu benennen sei (Nummer 1). Die Waffenbesitzkarte sei innerhalb von fünf Werktagen nach Überlassung oder Unbrauchbarmachung der Waffen an das Landratsamt zurückzugeben (Nummer 2). Für die Nummer 1 des Änderungsbescheides werde die sofortige Vollziehung angeordnet (Nummer 3). Zur Begründung ist ausgeführt, durch die Anknüpfung an die Bestandskraft des Bescheides werde die Wirkung des Sofortvollzuges verfehlt. Die Nummern 2 bis 4 seien neu zu fassen gewesen, damit die beabsichtigte Wirkung nicht erst nach Durchführung eines womöglich Jahre dauernden, ggf. durch mehrere Instanzen geführten Verfahrens eintrete. Da aufgrund des angenommenen absoluten Unzuverlässigkeitsgrundes des § 5 Abs. 1 Nr. 2 a und c WaffG die Gefahr gegeben sei, dass der Antragsteller Waffen missbräuchlich verwende, bestehe ein dringendes öffentliches Interesse, dieser Gefahr wirksam und unverzüglich zu begegnen. Das private Interesse des Antragstellers wiege demgegenüber weniger schwer, zumal durch die sofortige Vollziehung bei Überlassung an einen Berechtigten keine vollendeten Tatsachen geschaffen würden. Rechtsgrundlage sei § 46 Abs. 1, 3 Satz 1 Nr. 1 und 3 WaffG, für den Sofortvollzug § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO. Die staatliche Pflicht zum Schutz überragend wichtiger Individualrechtsgüter wie des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit und zur Verhütung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten gehe dem Interesse des Antragstellers, bis zur Bestandskraft des Bescheides Besitzer funktionsfähiger Waffen zu bleiben und sein Eigentumsrecht vollumfänglich wahrnehmen zu können, vor.
- [10]
- Mit Schriftsatz vom 25. März 2014 beantragte der Antragsteller, den Änderungsbescheid aufzuheben und die sofortige Vollziehung des Änderungsbescheides aufzuheben und die Herstellung der aufschiebenden Wirkung anzuordnen sowie durch einstweilige Anordnung zu verfügen, dass der Antragsteller seine Waffenbesitzkarte und die in ihr eingetragenen Waffen bis zur Rechtskraft der Entscheidung vorläufig behalten könne und die Zwangsgeldanordnung zurückgewiesen werde.
- [11]
- Zur Begründung wurde auf die Klageschrift verwiesen und darüber hinaus ausgeführt, Nummer 1 des Änderungsbescheides könne nicht auf § 46 Abs. 3 Satz Nr. 1 und 3 WaffG gestützt werden, da diese Vorschrift nur darauf abstelle, ob der Waffenbesitz ohne die erforderliche Erlaubnis oder entgegen einem vollziehbaren Verbot nach § 41 Abs. 1 oder Abs. 2 WaffG ausgeübt werde. Die klägerischen Waffen unterlägen jedoch der Erlaubnispflicht. Es sei daher ein vollziehbares Verbot anzuordnen. Da der Sofortvollzug schon im Ausgangsbescheid angeordnet worden sei, sei der Änderungsbescheid überflüssig. Es treffe nicht zu, dass durch den Sofortvollzug keine vollendeten Tatsachen geschaffen würden. Der Antragsteller könne die Waffen nur einem Büchsenmacher übergeben, der aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen sei, diese zu veräußern. Es sei allgemein bekannt, dass aufgrund der erfolgten und geplanten Verschärfungen des Waffengesetzes gebrauchte Waffen so gut wie keinen Marktwert mehr hätten. Obsiege der Antragsteller mit seiner Klage, müsse er neue Waffen erwerben und den Antragsgegner wegen Schadensersatz in Anspruch nehmen. Die Überlassung an einen Jäger oder Sammler komme praktisch nicht in Betracht. Eine Vorderschaftsrepetierflinte sei jagdlich nahezu unbrauchbar; sie diene in erster Linie speziellen sportlichen Disziplinen, wie z.B. dem Fallscheibenschießen. Mehr als zwei Kurzwaffen dürfe ein Jäger nicht besitzen. Die Überlassung an einen Sammler sei noch schwieriger. Im Ergebnis komme eine sofortige Vollziehung einer endgültigen Versagung gleich. In den vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof entschiedenen Fällen sei es um den Widerruf waffenrechtlicher Erlaubnisse von herausgehobenen Mitgliedern bayerischer Chapter des […] gegangen. Sie könnten nicht auf alle Mitglieder ausgedehnt werden, insbesondere wenn wie beim Antragsteller ein 20jähriger unbeanstandeter Waffenbesitz gegeben sei. Eine milieuspezifische Betrachtungsweise könne nicht unter § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG subsumiert werden, weil diese Vorschrift das Vorliegen von Tatsachen voraussetze und Betrachtungsweisen gerade nicht genügten.
- [12]
- Mit Schreiben vom 19. Mai 2014 teilte der Bevollmächtigte auf Anfrage des Gerichts mit, ein genauer Zeitpunkt, seit dem der Antragsteller dem […] angehöre, könne nicht angegeben werden, da sich eine Aufnahme in den Club über einen langen Zeitraum hinweg entwickelt habe. Seit zweieinhalb Jahren sei der Antragsteller „Vollmember“ ohne Funktion und Aufgabenbereich. Allerdings verkehre er seit ca. seinem 16. Lebensjahr bei verschiedenen Motorradclubs wie den […], den […] und schließlich den […]. Er kenne aber diese Leute schon seit über 30 Jahren aus anderen Clubs aus gemeinsamer Arbeit im Sicherheitsbereich, Sportveranstaltungen und Fitness-Studios etc.. Der Antragsteller treffe sich regelmäßig mit seinem Chapter und fahre etwa einmal im Monat auf eine sog. […]-Party. Unter der Woche gehe er seiner Berufstätigkeit nach. Lediglich am Wochenende fahre er Motorrad, ca. 17.000 km im Jahr. Daraus ergebe sich, dass das Motorradfahren im Vordergrund stehe. Die Waffen habe der Antragsteller bereits besessen, als er noch den […] angehört habe.
- [13]
- Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gem. § 117 Abs. 3 VwGO analog auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
»ENDE DES DOKUMENTAUSZUGS«
VGH München | 21 BV 12.1280 | 10.10.2013
[ECLI:DE:BAYVGH:2013:1010.21BV12.1280.0A]
LDJR 2013, 1319
L e i t s a t z
Mit der von den amerikanischen Strafverfolgungsbehörden eingeführten Bezeichnung "Outlaw Motorcycle Gang" (OMCG) werden weltweit die polizeilich bedeutsamen Rockergruppierungen von der breiten Masse der Motorradclubs (MC) abgegrenzt, die zwar im Einzelfall auch kriminelle Aktivitäten verfolgen können, diese aber nicht als Hauptmotivation ihrer Existenz verstehen.
Aktuell werden deutschlandweit der Hells Angels MC, Bandidos MC, Outlaws MC, Gremium MC und mit Anfang 2011 Mongols MC den OMCG zugeordnet.
Mitglieder solcher OMCG, insbesondere der sogenannten 1%er Rockergruppierungen, bewegen sich in einem kriminellen Umfeld, in dem typische Delikte der Organisierten Kriminalität wie Aktivitäten im Rotlichtmilieu, Rauschgifthandel, Bedrohung oder Körperverletzung begangen werden.
Mitglieder dieser OMCG in hervorgehobener Position als Präsident, Vizepräsident oder sonstiger Funktionsträger sind waffenrechtlich unzuverlässig, auch wenn sie selbst oder die Ortsgruppe (Chapter, Charter), der sie angehören, bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten sind.
V o r s p a n n
In der Verwaltungsstreitsache
- Kläger -
g e g e n
Landesanwaltschaft [...],
- Beklagter -
w e g e n
Widerrufs von Waffenbesitzkarten und sprengstoffrechtlicher Erlaubnis
hier: Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 8. Mai 2012
erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof - 21. Senat - [...] aufgrund mündlicher Verhandlung vom 8. Oktober 2013 am 10. Oktober 2013 folgendes Urteil:
T e n o r
Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 8. Mai 2012 wird geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
- [1]
- Der 1965 geborene Kläger wendet sich gegen den Widerruf waffen- und sprengstoffrechtlicher Erlaubnisse.
- [2]
- Der Kläger ist Inhaber mehrerer Waffenbesitzkarten, in die insgesamt 13 Waffen eingetragen sind. Zudem besitzt er seit 1992 eine Erlaubnis nach § 27 des Sprengstoffgesetzes.
- [3]
- Die Kriminalinspektion mit Zentralaufgaben Oberpfalz teilte dem Landratsamt [S...] unter dem 4. Mai 2011 auf Anfrage mit, dass der Kläger Mitglied des Bandidos MC [R...] sei. Die Kriminalinspektion [Sz...] - K 4 teilte dem Landratsamt [S...] unter dem 20. Juni 2011 mit, dass der Kläger im Jahr 2009 dem Bandidos MC [R...] beigetreten sein dürfte. Über seinen Status sei nichts Näheres bekannt; er betreibe an seinem Wohnort eine Harley DavidsonWerkstatt.
- [4]
- Eine Anfrage des Landratsamtes [S...] bei der Kriminalpolizeiinspektion mit Zentralaufgaben Oberpfalz ergab, dass der Kläger seit mindestens Juli 2009 Angehöriger des Bandidos MC [R...] ist und diesem seit Anfang November 2011 als Präsident vorsteht. Nach dem Rücktritt ehemaliger Gründungsmitglieder des Bandidos MC [R...] Anfang Oktober 2011 und der Auflösung der Bandidos MC [R...] Supporter Gringos MC und Zapata MC, habe sich die Führungsriege bis auf eine Person völlig erneuert. Der Bandidos MC [R...] habe sich von ca. 20 - 22 Mitgliedern (mit Supportern ca. 35) auf ca. 10 - 12 Mitglieder verkleinert. Nach derzeitigem Erkenntnisstand seien mehrere aktuelle und ehemalige Bandidos MC [R...] Mitglieder u.a. wegen Verstößen nach dem Waffengesetz, Betäubungsmittelgesetz, Körperverletzungsdelikten, Eigentumsdelikten usw. polizeilich in Erscheinung getreten. In Bezug auf Organisationsdelikte des Bandidos MCs lägen keine Erkenntnisse vor.
- [5]
- Mit Bescheid vom 13. Januar 2012 widerrief das Landratsamt [S...] die auf den Kläger ausgestellten Waffenbesitzkarten (Nr. 1) und die ihm erteilte Erlaubnis nach § 27 Sprengstoffgesetz (Nr. 2). Auf die weiteren Anordnungen in diesem Bescheid wird verwiesen.
- [6]
- Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Klage und beantragte, den Bescheid des Landratsamtes [S...] vom 13. Januar 2012 aufzuheben.
- [7]
- Der Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen.
- [8]
- Mit Urteil vom 8. Mai 2012 hob das Verwaltungsgericht [R...] den Bescheid auf.
- [9]
- Es legte im Wesentlichen dar:
- [10]
- Aus den seitens des Beklagten in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen könne nicht der Rückschluss gezogen werden, dass dem Kläger die Tatsache bekannt gewesen sei, wonach gegen einen Teil der Mitglieder des Bandidos MC [R...] in der Vergangenheit (vor 2007) polizeiliche Erkenntnisse gewonnen worden seien und er sich bewusst mit der Vergangenheit dieses Personenkreises identifizierte. Diese Tatsachen seien daher nicht ausreichend, um zu unterstellen, der Kläger bewege sich in einem Milieu, in dem üblicherweise Straftaten begangen werden und in dem missbräuchlicher Besitz und illegales Führen von Waffen vertreten sei. Bei der anzustellenden Prognoseentscheidung dürfe zudem das eigene Verhalten und Auftreten des Klägers nicht unberücksichtigt bleiben. Zwischen den Beteiligten sei unstreitig, dass sich der Kläger in der Vergangenheit keiner Straftat schuldig gemacht habe. Es lägen daher keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger gegen waffenrechtliche bzw. sprengstoffrechtliche Bestimmungen verstoßen werde.
- [11]
- In der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung beantragt der Beklagte, das Urteil des Verwaltungsgerichts [R...] vom 8. Mai 2012 zu ändern und die Klage abzuweisen.
- [12]
- Das Verwaltungsgericht habe den rechtlichen Maßstab der Unzuverlässigkeit hier verkannt, soweit es entscheidungstragend darauf abstelle, dass der Kläger bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten sei. Das zu beobachtende Milieu des Klägers, also das soziale Umfeld, mit dem er Kontakte habe und in das er integriert sei, sei nicht auf den Bandidos MC [R...] beschränkt. Es sei realitätsfremd anzunehmen, dass die Mitglieder des Chapters des Bandidos MC [R...] ihr soziales Umfeld bzw. ihr Milieu ausschließlich in diesem Chapter fänden, dass keine Kontakte zu Bandidos anderer Chapter bestünden und die soziale Integration sich auf das einzelne Chapter beschränke. Das gelte insbesondere für die Führungspersönlichkeiten eines Chapters. Als Tatsache im Sinn des § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und c WaffG genüge somit, dass Mitglieder anderer Chapter des Bandidos MC durch Straftaten unter Verwendung von Waffen aufgefallen seien. Explosionsgefährliche Stoffe seien teilweise wie Waffen verwendbar und besäßen eine vergleichbare Gefährlichkeit.
- [13]
- Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
- [14]
- Es sei bei der Überprüfung der Zuverlässigkeit einzig und allein auf den Kläger selbst und dessen Umfeld abzustellen. Der Kläger habe einen guten Leumund und sei nicht vorbestraft. Auch bewege er sich in keinem kriminellen Umfeld.
- [15]
- Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten, hinsichtlich des Verlaufs der mündlichen Verhandlung auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
»ENDE DES DOKUMENTAUSZUGS«
BVerwG | 6 C 1.14 | 28.01.2015
[ECLI:DE:BVerwG:2015:280115U6C1.14.0]
LDJR 2015, 5367
V o r s p a n n
In der Verwaltungsstreitsache
- Kläger -
g e g e n
Landratsamt [...],
- Beklagter -
w e g e n
Kleinen Waffenscheins
hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28. Januar 2015 [...] für Recht erkannt:
T e n o r
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 10. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
T a t b e s t a n d
I.
- [1]
- Der Kläger ist Inhaber eines kleinen Waffenscheins gemäß § 10 Abs. 4 Satz 4 WaffG. Das Landratsamt nahm diesen mit der Begründung zurück, es sei bekannt geworden, dass der Kläger Mitglied der [B...] sei. Auf seine Klage hat das Verwaltungsgericht den Rücknahmebescheid aufgehoben.
- [2]
- Der Verwaltungsgerichtshof hat die Klage abgewiesen. Die Stellung des Klägers als Präsident des [B...] rechtfertige die Annahme, dass er im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und c WaffG unzuverlässig sei. Dies folge aus der Eigenart der [B...] als einer Gruppierung, die regelmäßig in gewalttätige Auseinandersetzungen mit anderen Rockergruppierungen verwickelt sei und eine Nähe zur Organisierten Kriminalität aufweise. Unerheblich sei, dass der Kläger persönlich nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten oder sonst auffällig geworden sei.
- [3]
- Mit seiner Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Das Berufungsgericht lasse außer Acht, dass weder der Kläger noch der [B...] bisher negativ auffällig geworden seien. Es begründe seine angebliche Unzuverlässigkeit mit allgemeinen Mutmaßungen und zum Teil unzutreffenden tatsächlichen Annahmen über einen Vorfall im Oktober 2012. Da der [B...] nicht unter § 5 Abs. 2 Nr. 2 WaffG falle, sei die Mitgliedschaft des Klägers nicht ausreichend zur Begründung seiner Unzuverlässigkeit. Dafür, dass der Kläger sich in einem kriminellen, gewaltorientierten Milieu bewege, läge kein Nachweis vor. Dass einzelne Mitglieder von Rockergruppierungen straffällig geworden seien, dürfe nicht dem Kläger angelastet werden.
- [4]
- Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
»ENDE DES DOKUMENTAUSZUGS«