VG Würzburg | W 5 K 15.1006 | 23.06.2016
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- vom Donnerstag, 23. Juni 2016 02:00
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Gericht: | |
Verwaltungsgericht Würzburg (VG Würzburg) | |
Aktenzeichen: | Entscheidungsdatum: |
W 5 K 15.1006 | 23.06.2016 |
Spruchkörper: | Entscheidungsform: |
5. Kammer | Urteil |
ECLI: | |
ECLI:DE:VGWUERZ:2016:0623.W5K15.1006.0A | |
Normen: | Jur. Bedeutung: |
§ 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a WaffGV-SUCHE, § 1 Abs. 1 WaffGV-SUCHE, § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffGV-SUCHE, § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und c WaffGV-SUCHE, § 6 Abs. 2 WaffGV-SUCHE, § 46 Abs. 2 Satz 1 WaffGV-SUCHE | |
Schlüsselwörter: | Volltext: |
V-SUCHEZuverlässigkeit, Erlaubnis, Steuer, Unzuverlässigkeit, WBK, Waffenbesitzkarte, Internet, Schusswaffe, Eignung, Umgang | |
Referenz: | Permalink: |
LDJR 2016, 7053 https://lexdejur.de/ldjr7053 | LINK (+/-) |
Zitierweise: | Tipp: |
VG Würzburg, Urteil vom 23. Juni 2016 - W 5 K 15.1006 [ECLI:DE:VGWUERZ:2016:0623.W5K15.1006.0A] - lexdejur VG Würzburg, Urteil vom 23. Juni 2016 - W 5 K 15.1006 - lexdejur | ECLI (+/-) |
Entscheidungstext
[ECLI:DE:VGWUERZ:2016:0623.W5K15.1006.0A]
LDJR 2016, 7053
V o r s p a n n
In der Verwaltungsstreitsache
- Kläger -
g e g e n
Landratsamt [...],
- Beklagter -
w e g e n
Widerrufs von Waffenbesitzkarten
erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Würzburg, 5. Kammer, [...] aufgrund mündlicher Verhandlung am 23. Juni 2016 folgendes Urteil:
T e n o r
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
T a t b e s t a n d
1.
- [1]
- Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Waffenbesitzkarten.
- [2]
- Die Kriminalpolizeiinspektion [S...] übersandte dem Landratsamt [B...] mit Schreiben vom 29. August 2015 einen polizeilichen Vorgang einschließlich eines Auszugs des vom Kläger gepflegten Facebook-Profils. Daraus sind (auszugsweise) Äußerungen des Klägers zu Medienbeiträgen sowie Bildern unter anderem wie folgt zu ersehen:
- [3]
- Zu „Passant geschlagen und getreten – Tatverdächtiger festgenommen“ äußerte der Kläger: „Kopftreten. Wegen einer Sonnenbrille. Beliebt bei Irakern und anderen Arschlöchern. Bewaffnet Euch.“ Die Meldung „Junge Frau entkommt sexuellem Übergriff in Jena – Jenaer Nachrichten“ kommentierte der Kläger mit: „Passt auf Eure Frauen und Töchter auf. Aber vor allem – bewaffnet Euch!“ Zur Nachricht „Brandbrief: Marxlohs Einwohner fühlen sich ausgeliefert – Einwohner haben in einem Brandbrief die Verharmlosung der Zustände in Duisburg-Marxloh angeprangert. Die meisten von ihnen seien bereits auf offener Straße bestohlen, von Kindern angespuckt, von Frauen beschimpft und von Männern…“ schrieb der Kläger: „Morgen auch bei Dir. Bereite Dich schon mal darauf vor. Und bewaffne Dich.“ Einen „Kommentar zur Flüchtlingspolitik: Neuankömmlinge sind ein Geschenk des Himmels“ erwiderte der Kläger mit: „Lasst sie kommen, kein Problem. Es darf nur kein Steuerzahlergeld mehr an sie fließen. Und die Steuerzahler müssen bewaffnet werden. Dann wird alles gut.“ Zu einem Video-Bild kommentierte der Kläger: „Es wiederholt sich zum –zigstenmal, wird wohl auch nicht das letztem(al) gewesen sein. Bewaffnet Euch!“ Zum Bild einer Munitionslademaschine ergänzte der Kläger: „Muss ich haben! ☺“.
- [4]
- Mit Bescheid vom 1. Oktober 2015 (Az. 1351-30-2015WBKKM) widerrief das Landratsamt [B...] u.a. die dem Kläger erteilten Waffenbesitzkarten Nrn. [...]/84, [...]/94, [...]/96, [...]/99, [...]/00, [...]/85, [...]/02, [...]/04 und [...]/07 (Nr. 1 des Bescheids) und verpflichtete den Kläger, die Waffenbesitzkarten bis spätestens 30. Oktober 2015 beim Landratsamt [B...] abzugeben (Nr. 2), die in der Anlage zum Bescheid aufgeführten Waffen bis spätestens 30. Oktober 2015 entweder an einen Berechtigten zu überlassen, unbrauchbar machen zu lassen oder zur Vernichtung an das Landratsamt [B...] abzugeben (Nr. 3) sowie die Erledigung der mit Nr. 3 auferlegten Verpflichtung dem Landratsamt [B...] innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen (Nr. 4); für den Fall des fruchtlosen Ablaufs der Fristen der Nrn. 2 bis 4 wurde die Einziehung der Waffenbesitzkarten sowie die Sicherstellung der Waffen „im Wege der Ersatzvornahme“ angedroht (Nr. 5). Die sofortige Vollziehung der Nrn. 2 und 3 des Bescheids wurde angeordnet (Nr. 11). Für den Bescheid wurden eine Gebühr in Höhe von 1.720,00 EUR festgesetzt und Auslagen in Höhe von 3,45 EUR erhoben (Nr. 12).
- [5]
- Das Landratsamt [B...] stützte den Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse auf § 45 Abs. 2 Satz 1, § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und c sowie § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b WaffG. Auf den weiteren Inhalt des Bescheids, der dem Kläger laut Postzustellungsurkunde am 6. Oktober 2015 zugestellt wurde, wird Bezug genommen.
- [6]
- Am 13. Oktober 2015 ließ der Kläger Klage erheben und sinngemäß beantragen, Nrn. 1 bis 5 des Bescheids des Landratsamts [B...] vom 1. Oktober 2015 (Az. 1351-30-2015WBKKM) und Nr. 12 dieses Bescheids – soweit sich diese auf Nrn. 1 bis 5 bezieht – aufzuheben.
- [7]
- Zur Begründung wurde vorgetragen, der Kläger übe seit über 40 Jahren regelmäßig den Schießsport aus und verfüge hier über erhebliche Erfolge. Im Jahr 2013 habe er den Titel eines Deutschen Meisters in der Disziplin „Standardpistole“ errungen. Die Annahme der Unzuverlässigkeit des Klägers werde ausschließlich mit Äußerungen des Klägers auf der Internetplattform „Facebook“ begründet. Die vom Landratsamt im einzelnen herangezogenen Äußerungen rechtfertigten jedoch von vorneherein nicht die Annahme, dass der Kläger Schusswaffen missbräuchlich verwenden könnte oder dass er sie an Unberechtigte überlassen könnte. Der Kläger habe im Rahmen seines Rechts auf freie Meinungsäußerung bestimmte Vorgänge, die in den letzten Monaten mit dem Zuzug von Flüchtlingen verbunden gewesen seien, satirisch und durchaus bissig kommentiert. Die Tatsache, dass die gesamten Kommentare ironisch und als Satire gemeint gewesen seien, sei bei der gesamten Würdigung des Sachverhalts sowohl durch die Kriminalpolizeiinspektion [S...] als auch durch das Landratsamt übersehen worden. Hätte ein Kabarettist oder Satiriker diese Äußerungen auf „offener Bühne“ getätigt, würde man ihm das Recht der freien Meinungsäußerung und des Schutzes der Kunst zubilligen und nicht an die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens denken. Auf den satirischen Charakter seiner Äußerungen und Bewertungen weise der Kläger auf seiner Facebook-Seite hin. Zu den einzelnen Ausführungen sei Folgendes zu sagen:
- [8]
- Der Kläger bezeichne sich mit der Äußerung „Ich bin ein Nazi.“ als „normales arbeitendes zivilisiertes Individuum“.
- [9]
- Bereits aufgrund der Ausführungen im Entrée der Facebook-Seite sei klar, dass alle diese Äußerungen satirisch zu verstehen seien. Die vor die Klammer aller Äußerungen des Klägers gezogene Botschaft „Über Dich.
- [10]
- Unterstelle keinen Vorsatz, wenn es mit Dummheit ausreichend erklärt ist.
- [11]
- Diese vorherrschende Dummheit meiner Zeitgenossen ist für mich nur mit Satire und Sarkasmus zu ertragen, insoweit sind meine Beiträge auf Facebook und anderswo auch als Satire zu verstehen und nichts anderes hineinzuinterpretieren.“ sei zum Verständnis dieser Äußerungen erforderlich. Die Äußerungen des Klägers seien nicht so gemeint und bei verständiger Würdigung auch nicht so zu verstehen, wie das Landratsamt sie bewerte.
- [12]
- Dies sei an zwei Fällen zu erläutern:
- [13]
- Der Kläger habe von der Internetpräsenz der Tageszeitung „Die Welt“ das veröffentlichte Foto und die Nachricht übernommen „Ramelow will Flüchtlinge nach Ethnien trennen“ und hierzu geäußert: „Ramelow ist ein dreckiger Rassist“. Die Trennung der Bevölkerung nach Ethnien, verbunden mit entsprechenden Folgemaßnahmen, könne nach Auffassung des Klägers durchaus als Rassismus bewertet werden.
- [14]
- Die Erläuterungen des Klägers im Anhörungsverfahren zu seiner Äußerung „Lasst sie kommen. Kein Problem. Es darf nur kein Steuergeld mehr an sie fließen. Die Steuerzahler müssen bewaffnet werden. Dann wird alles gut“ würden vom Landratsamt zwar zitiert, bei deren Bewertung werde aber der ironische Charakter übersehen.
- [15]
- Die Äußerungen des Klägers seien vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Sie hätten keinen volksverhetzenden oder sonst seine Zuverlässigkeit diskreditierenden Hintergrund. Die Kriminalpolizeiinspektion [S...] habe bei ihrer gesamten Recherche zwar einzelne Äußerungen des Klägers zusammengestellt, habe es jedoch unterlassen, den Eingang zu der Facebook-Seite, in dem der satirische Charakter aller Äußerungen dargestellt worden sei, ebenfalls dem Landratsamt zugänglich zu machen. Wäre das Ermittlungsverfahren mit der gebotenen Sorgfalt geführt worden, hätte auch das Landratsamt erkennen können und müssen, dass in der Person des Klägers keine wie auch immer gearteten Zweifel an seiner demokratischen Gesinnung bestehen könnten. Davon abgesehen seien in der Person des Klägers auch keine Gründe gegeben, die im Sinne von § 5 Abs. 1 oder 2 WaffG die Annahme seiner Unzuverlässigkeit rechtfertigen würden.
- [16]
- Soweit der Kläger den Hinweis gegeben habe „Bewaffnet Euch“, habe er nichts anderes getan als dies nunmehr z.B. durch eine Broschüre des Oberbürgermeisters von Köln „Vergewaltigung – wie kann ich mich wehren“ geschehe, in der auf S. 37 ausgeführt werde: „Darüber hinaus gibt es noch weitere technische Möglichkeiten, sich gegen Belästigungen und Bedrohungen zu wehren: - Technische Hilfsmittel wie z.B. Reizstoffsprühgeräte und Schreckschusspistolen sind generell geeignet, einen Angriff abzuwehren…“. Der Kläger verkenne nicht, dass die Diktion seiner Ausführungen natürlich nicht so zurückhaltend gewesen sei, wie dies in dieser Informationsschrift geschehe. Er habe allerdings nicht dazu aufgerufen, legal erworbene Waffen in einer illegalen Weise anzuwenden.
- [17]
- Wenn die zuständige Behörde Bedenken gegen die persönliche Eignung eines Waffenbesitzers habe, habe sie diesem die Vorlage eines amts- oder fachärztlichen oder fachpsychologischen Zeugnisses über die geistige oder körperliche Eignung aufzugeben. Die Vorlage eines derartigen Zeugnisses sei geeignet, bestehende Bedenken auszuräumen. Eine derartige Anordnung sei jedoch bislang nicht ergangen.
- [18]
- Der Kläger habe letztlich nichts anderes getan, als auf die Möglichkeit einer legalen Bewaffnung hinzuweisen. Wie Werbeanzeigen in Bezug auf den Vertrieb von Pfefferspray zeigten, in denen die Möglichkeit auch von angreifenden Personen problematisiert werde, werde von den werbenden Firmen gerade auf die Situation abgestellt, die in Deutschland zu einem „Boom“ im Waffengeschäft geführt habe. Letztlich werde hierin zu einer Bewaffnung mit Blick auf latent bestehende Möglichkeiten eines Angriffs hingewiesen.
- [19]
- Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 6. Juni 2016 ließ der Kläger seine Klagebegründung wiederholen und vertiefen. U.a. ließ er vortragen, seine Äußerungen hätten nur im Zusammenhang mit bestimmten Vorfällen gestanden, bei denen unter Berücksichtigung des Notwehrrechts der Einsatz von legalen Abwehrmitteln statthaft gewesen wäre. Der Kläger ziehe insoweit einen Vergleich mit denjenigen Politikern im Bereich des Verteidigungswesens, die mit Blick auf eine geänderte Einsatz- und Bedrohungslage eine Aufrüstung der Bundeswehr forderten. Die Diskussion im Fall Böhmermann/Erdogan zeige, dass bestimmte Äußerungen von einem Teil der Bevölkerung als bereits strafrechtlich bedeutsam, von einem anderen Teil als zulässige Kritik bewertet würden. Soweit der Kläger mit seinen Äußerungen Politiker angegriffen habe, sei dies als Reaktion auf dortige Äußerungen zu sehen und vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Die unkontrollierte Einreise von Flüchtlingen könne zu einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit führen. Die Verbindung der klägerischen Äußerungen einerseits mit dem legalen Waffenbesitz andererseits führe dazu, dass jemand, der in Deutschland legal Waffen besitze, künftig von seinem Recht auf Meinungsäußerung keinen Gebrauch machen sollte. Der Kläger sei in strafrechtlicher Hinsicht gänzlich unbescholten und habe zu keinem Zeitpunkt dazu aufgerufen, Schusswaffen einzusetzen. Er verabscheue jegliche Gewaltanwendung. Soweit dem Kläger unterstellt werde, er habe eine Aversion gegen Flüchtlinge, lege er Wert auf die Feststellung, dass seine Ehefrau Tochter eines Flüchtlings sei und Freunde Flüchtling oder Ausländer seien. Im Übrigen werde auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 25. September 2012 (3 K 1305/11) verwiesen.
- [20]
- Auf den weiteren Inhalt der Klagebegründung wird Bezug genommen.
- [21]
- Demgegenüber beantragte das Landratsamt [B...] für den Beklagten, Nr. 5 des Bescheids des Landratsamts [B...] vom 1. Oktober 2015 (Az. 1351-30-2015WBKKM) aufzuheben und die Klage im Übrigen abzuweisen.
- [22]
- Zur Begründung wurde im Wesentlichen auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid verwiesen und weiterhin ausgeführt, im Hinblick auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts Würzburg im Beschluss vom 27. Oktober 2015 (W 5 S 15.1007) werde die Aufhebung der Nr. 5 des streitgegenständlichen Bescheids beantragt.
- [23]
- Auf die Ergänzung der Klageerwiderung im Schreiben des Landratsamts [B...] vom 14. Juni 2016 wird Bezug genommen.
- [24]
- Mit Beschluss vom 27. Oktober 2015 (W 5 S 15.1007) ordnete das Verwaltungsgericht Würzburg die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Nr. 5 des Bescheids des Landratsamts [B...] vom 1. Oktober 2015 (Az. 1351-30-2015WBKKM) an und wies den gleichzeitig mit der Klage gestellten Eilantrag im Übrigen ab. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Klägers wies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 8. Januar 2016 zurück (21 CS 15.2465).
- [25]
- In der mündlichen Verhandlung am 23. Juni 2016 erklärte der Beklagtenvertreter, dass Nr. 5 des Bescheids vom 1. Oktober 2015 Nr. 1351-302015WBKKM aufgehoben wird. Daraufhin erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit insoweit für erledigt und das Gericht stellte das Verfahren ein, soweit es Nr. 5 des Bescheids vom 1. Oktober 2015 Nr. 1351-302015WBKKM betraf.
- [26]
- Der Klägerbevollmächtigte beantragte, Nrn. 1 bis 4 des Bescheids des Landratsamts [B...] vom 1. Oktober 2015 Nr. 1351-302015WBKKM und die Nr. 12 dieses Bescheids – soweit sie sich auf die Nrn. 1 bis 4 bezieht – aufzuheben.
- [27]
- Der Beklagtenvertreter beantragte Klageabweisung.
- [28]
- Wegen des weiteren Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
- [29]
- Die einschlägigen Behördenakten lagen dem Gericht vor. Die Verfahrensakten W 5 S 15.1005, W 5 S 15.1007, W 5 S 15.1009, W 5 K 15.1003 und W 5 K 15.1008 wurden beigezogen.
2.
3.
4.
5.
6.
Ende des Dokumentauszugs
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VG Freiburg (Breisgau) | 3 K 1305/11 | 25.09.2012
[ECLI:DE:VGFREIB:2012:0925.3K1305.11.0A]
LDJR 2012, 1769
V o r s p a n n
In der Verwaltungsrechtssache
- Kläger -
g e g e n
Regierungspräsidium [...],
- Beklagter -
w e g e n
Waffenrechts
hat die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Freiburg am 25. September 2012 für Recht erkannt:
T e n o r
Die Verfügungen der Beklagten vom 06.06.2011 und vom 11.09.2012 werden aufgehoben und die Beklagte wird verurteilt, folgende Waffen an den Kläger herauszugeben:
1. Ordonanzpistole, Sig Sauer, Kal. 9 mm., Herstellungs-Nr.: [...]
2. Selbstladegewehr, Molot, Kal. 308, Herstellungs-Nr.: [...]
3. Dienstrevolver, Smith & Wesson, Kal. 357 Magnum, Herstellungs-Nr.: [...]
4. Selbstladegewehr, Heckler & Koch, Kaliber 223 Remington, HerstellungsNr. [...]
5. KK-Gewehr, Anschütz, Kal. 22 l.r., Herstellungs-Nr.: [...]
6. Repetiergewehr, Hämmerle, Kal. 22 l.r., Herstellungs-Nr.: [...]
7. Repetiergewehr, Kal. 30/30, Marlin, Herstellungs-Nr.: [...]
8. KK-Gewehr, Anschütz, Kal. 22 l.r., Herstellungs-Nr.: [...]
9. KK-Gewehr, Voere, Kal. 22.l.r., Herstell-Nr.: [...]. Vorderladergewehr, Dikar, Kal. 45, Herstellungs-Nr.: [...].
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
T a t b e s t a n d
- [1]
- Der am 05.01.1966 geborene Kläger, ein Hauptfeldwebel der Reserve, ist Inhaber der Waffenbesitzkarte [...] und der Waffenbesitzkarten für Sportschützen [...] und [...] für die im Tenor unter Nr. 1 bis Nr. 9 aufgeführten Waffen. Außerdem stellte die Beklagte dem Kläger einen Europäischen Feuerwaffenpass gem. § 32 Abs. 6 WaffG aus und erteilte ihm eine Erlaubnis nach § 27 Sprengstoffgesetz (Erwerb, Umgang und Verbringung von Treibladungspulver für Vorderladerwaffen). Mit seinen Waffen betreibt der Kläger den Schießsport.
- [2]
- Beruflich ist der Kläger als angelernter Chemiekant im Werk [...] der [...] tätig.
- [3]
- Mit E-Mail vom 09.11.2010 teilte der Sicherheitsbeauftragte der [...] der Kriminalpolizei in [...] mit, der Kläger habe Andeutungen gemacht, die darauf schließen ließen, er werde bei seinem Arbeitgeber wegen privater und beruflicher Probleme Amok laufen.
- [4]
- Am 10.11.2010 vernahm die Kriminalpolizei [...] einen Vorgesetzten des Klägers, den Tagmeister [...] Dieser gab an: Nach den Anschlägen in Winnenden und Lörrach habe er sich über die Persönlichkeit von Amokläufern informiert und festgestellt, dass auch beim Kläger zahlreiche entsprechende Merkmale vorlägen. Der Kläger sei ein Waffennarr sondergleichen, nehme regelmäßig an Reserveübungen der Bundeswehr teil und habe in seinem Haus sogar einen besonders gesicherten Raum zur Aufbewahrung der Waffen. Darin befänden sich auch eine Kalaschnikow und ein Scharfschützengewehr mit Zielfernrohr sowie sehr viel Munition. Im Jahr 2010 habe der Kläger einiges mitgemacht. Seine Ehe sei geschieden worden. Von seiner Freundin habe er sich getrennt. Seine Bewerbungen bei der Polizei in [...] und bei der Bundeswehr für einen Einsatz als Reservist in Afghanistan seien abgelehnt worden. Bei der [...] drohe ihm im Rahmen der Schließung von Produktionsstätten die Entlassung, weil er nicht genügend Punkte für den Sozialplan erreiche. Als vor zwei Wochen Neuregelungen mit Bezug auf den Sicherheitsstandard bekannt gegeben worden seien, habe der Kläger über alle Maßen heftig reagiert und den Chef in der Gruppe in sehr lautem und aggressivem Ton als „Wichser“ bezeichnet. Er habe jedoch weder jemandem gedroht noch sei er handgreiflich geworden. Vermutlich wegen der Ablehnung seiner Bewerbung bei der Polizei habe er vor drei Wochen in der Nachtschichtrunde erzählt, dass die Polizeibeamten in [...] „Pfeifen“ seien und er sich überlege, das Polizeirevier zu stürmen, indem er mit einem Bagger die Hauswand eindrücke. Der Kläger, der einerseits eine nette und hilfsbereite Person sei, andererseits aber oft unangemessen reagiere, wenn ihm etwas gegen den Strich gehe, habe zwar nicht konkret mit einem Amoklauf gedroht, möglicherweise habe er sich aber nicht mehr im Griff, weil er sehr starke Medikamente einnehme.
- [5]
- Nachdem das Amtsgericht [...] mit Beschluss vom 10.11.2010 - 22 XIV 104 B/10 antragsgemäß die Durchsuchung der Wohnung des Klägers mit Nebenräumen während des Tages gem. § 31 Abs. 5 PolG angeordnet hatte, durchsuchte ein Einsatzkommando der Kriminalpolizei [...] mit einer Diensthundestaffel am Vormittag des 11.11.2010 das Haus des Klägers. Die Kriminalpolizei [...] nahm dabei die oben genannten waffenrechtlichen Erlaubnisse und die darin eingetragenen Waffen in Besitz. Außerdem fand die Kriminalpolizei [...] noch ein Vorderladergewehr, Dikar, Kal. 45, Herstellungsnummer: [...], und mehrere andere Gegenstände aus dem militärischen Bereich (vermeintlich: Handgranaten, Panzerabwehrraketen usw.). Diese wurden gleichfalls in Besitz genommen.
- [6]
- Ausweislich der Auskunft des Regierungspräsidiums [...] Landespolizeidirektion - Fachbereich Waffen - handelt es sich bei dem Vorderladergewehr zwar um eine Schusswaffe nach dem Waffengesetz. Nach Anlage 2, Abschnitt 2, Unterabschnitt 2, Nr. 1.7 und 5.1 sind jedoch Erwerb, Besitz und Handel mit dieser Waffe erlaubnisfrei zulässig, weil es sich dabei um eine vor dem 01.01.1871 entwickelte, einläufige Einzelladerwaffe mit Zündhütchen (Perkussionswaffe) handelt. Der Entschärfer des Landeskriminalamtes stellte fest, dass es sich bei den sonstigen Gegenständen aus dem militärischen Bereich um Exerziermunition, Modelle und Exponate für Lehrzwecke handelt, die keine Explosivstoffe enthalten und nicht dem Waffen-, Sprengstoff- oder Kriegswaffenkontrollgesetz unterfallen.
- [7]
- Die anderen, im Tenor im Einzelnen aufgeführten Waffen übergab die Kriminalpolizei [...] am 16.11.2010 dem Amt für öffentliche Ordnung der Beklagten mit der Bitte um weitere Veranlassung.
- [8]
- Der Kläger legte zunächst gegen den Beschluss des Amtsgerichts [...] vom 10.11.2010 - 22 XIV 104 B/10 - Beschwerde ein und führte zur Begründung aus, bei der Äußerung bezüglich der Stürmung des Polizeireviers in [...] mit einem Bagger habe es sich um „saudummes Stammtischgeschwätz“ gehandelt. Als in Frankreich Ausländer die Polizeireviere gestürmt hätten, sei im Kollegenkreis die Frage aufgekommen, wie man das überhaupt machen könne. Daraufhin habe er sich geäußert, er würde sich einen Bagger besorgen und damit die Wand eindrücken, zumal die Polizeibeamten alle „Nasen“/„Pfeifen“ seien. - Dass Teile der [...] Produktionsstätte in [...] geschlossen werden könnten, sei inoffiziell bereits seit Ende 2009 bekannt, weshalb sich der Kläger im Dezember 2009 auch ein Zwischenzeugnis und im Juli 2010 eine Bescheinigung über spezielle Kenntnisse für anderweitige Bewerbungen habe geben lassen. Ehescheidungen und Trennungen seien Alltag. Von dem geplanten Afghanistan-Einsatz habe er selbst Abstand genommen, weil dieser einschließlich der erforderlichen Vorbereitungszeit sieben Monate gedauert hätte, die Arbeitsplatzgarantie aber nach sechs Monaten verloren gehe. Die starken Tabletten nehme er gegen Migräneanfälle. Die Gefahr eines Amoklaufs habe vor diesem Hintergrund unter keinem Gesichtspunkt bestanden, zumal der Kläger seit vielen Jahren bei der Bundeswehr an Wehrübungen teilnehme und dabei überragende Beurteilungen erhalte. Auch die Kriminalpolizei [...] habe bereits am 11.11.2010 unmittelbar nach der Durchsuchung der Staatsanwaltschaft [...] mitgeteilt, vom Kläger gehe keine akute Gefahr aus.
- [9]
- Außerdem bemühte sich der Kläger bei der Beklagten um Herausgabe seiner Waffen und waffen-/sprengstoffrechtlichen Erlaubnisse. Aus diesem Grund bat ihn die Beklagte mit Schreiben vom 03.03.2011 um ein fachärztliches oder fachpsychologisches Gutachten nach § 4 AWaffV zum Nachweis seiner psychischen Eignung zum Umgang mit Schusswaffen. Lege der Kläger ein solches Gutachten nicht vor, so sei daraus auf seine fehlende Eignung zu schließen und die Waffen müssten einbehalten werden.
- [10]
- Nach telefonischer Rücksprache mit der Beklagten legte der Kläger mit Schreiben vom 23.03.2011 ein ärztliches Attest seines Hausarztes (Facharzt für Innere Medizin) Dr. [...] vom 21.03.2011 vor, dass er bis zu dem Ereignis im November 2010 psychisch unauffällig gewesen sei.
- [11]
- Mit Beschluss vom 30.05.2011 - 14 Wx 2/11 - hob das Oberlandesgericht [...] den Beschluss des Amtsgerichts [...] vom 10.11.2010 - 22 XIV 104 B/10 - auf und stellte fest, dass die Durchsuchungsanordnung vom 10.11.2010 rechtswidrig war. Zur Begründung heißt es, eine Wohnungsdurchsuchung sei nach § 31 Abs. 2 Nr. 2 PolG zulässig, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass sich in der Wohnung eine Sache befinde, die sichergestellt oder beschlagnahmt werden dürfe. Allein aufgrund der Aussage des Zeugen [...] hätten jedoch keine Anhaltspunkte dafür vorgelegen, dass die Beschlagnahme der Waffen i.S. des § 33 Abs. 1 Nr. 1 PolG wegen eines drohenden Amoklaufs des Klägers zum Schutz gegen eine unmittelbar bevorstehende Störung der öffentlichen Sicherheit erforderlich gewesen sei.
- [12]
- Vor diesem Hintergrund drängte der Kläger auf Herausgabe der Waffen und Erlaubnisurkunden.
- [13]
- Mit Verfügung vom 06.06.2011 gab die Beklagte dem Kläger daraufhin auf, bis zum 01.07.2011 ein fachärztliches bzw. fachpsychologisches (Kurz-)Gutachten vorzulegen (I.). Unter Nr. II der Verfügung wird angeordnet, dass die mit Einverständnis des Klägers sichergestellten (im Einzelnen aufgeführten Waffen) bis zur Vorlage eines fachärztlichen oder fachpsychologischen (Kurz-)Gutachtens in Verwahrung der Waffenbehörde verbleiben. Unter Nr. III wurde die sofortige Vollziehung der Nr. II angeordnet. Die Beklagte führte aus: Aufgrund der Vorgänge, die zu dem Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts [...] vom 10.11.2000 geführt hätten, bestünden Zweifel daran, dass der Kläger für den Umgang mit Schusswaffen i.S. des § 6 Abs. 1 WaffG geeignet sei. Nach § 6 Abs. 2 WaffG habe ihm die Beklagte als Waffenbehörde deshalb die Vorlage eines amts- oder fachärztlichen oder fachpsychologischen Zeugnisses über die Eignung zum Umgang mit Schusswaffen aufgeben müssen. Werde das geforderte Zeugnis nicht fristgerecht vorgelegt, so dürfe die Behörde bei ihrer Entscheidung davon ausgehen, dass der Betroffene nicht geeignet sei (§ 4 Abs. 6 AWaffV). Das vom Kläger auf die Aufforderung im Schreiben vom 03.03.2011 hin vorgelegte hausärztliche Attest vom 21.03.2011 bestätige lediglich, dass er bis zum November 2010 psychisch unauffällig gewesen sei. Im Umkehrschluss sei daraus zu folgern, dass seither psychische Auffälligkeiten vorlägen. - Rechtsgrundlage für den weiteren Verbleib der Waffen in amtlicher Verwahrung sei § 46 Abs. 4 WaffG. Danach könne die Behörde Erlaubnisurkunden sowie die in § 46 Abs. 2 und 3 WaffG bezeichneten Waffen oder Munition sofort sicherstellen, soweit Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass sie missbräuchlich verwendet werden sollten. Davon sei beim Kläger schon deshalb auszugehen, weil er das geforderte amts- bzw. fachärztliche oder fachpsychologische Zeugnis bislang nicht beigebracht habe. Damit lägen auch Tatsachen vor, die zum Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse berechtigten. - Zwar seien die waffenrechtlichen Erlaubnisse des Klägers bislang noch nicht widerrufen worden. Jedoch müssten die Waffen jedenfalls nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 PolG weiter in amtlicher Verwahrung verbleiben. Die Polizei sei danach zur Abwehr einer unmittelbar bevorstehenden Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zur Beschlagnahme einer Sache berechtigt. Hier gehe es darum, zu verhindern, dass der ungeeignete Kläger die Waffen missbräuchlich verwende. Wenn der Grund für die Sicherstellung entfallen sei, könnten die Waffen zurückgegeben werden.
- [14]
- Am 15.06.2011 legte der Kläger Widerspruch ein. Über diesen wurde jedoch nicht entschieden.
- [15]
- Am 13.07.2011 hat der Kläger verwaltungsgerichtliche Klage erhoben. Er trägt vor, seine Eignung zum Umgang mit Waffen ergebe sich aus der aktiven Mitgliedschaft in drei Schützenvereinen sowie aus der regelmäßigen Teilnahme an Reserveübungen bei der Bundeswehr - zuletzt vom 02. Mai bis zum 31. Mai 2011 als Ausbilder an der Offiziersschule der Luftwaffe. - Die Vorlage eines Zeugnisses nach § 6 Abs. 2 WaffG könne nicht in der Form eines Verwaltungsaktes angeordnet werden. - Auch könne sich die Beklagte nicht über die verbindlichen Feststellungen des Oberlandesgerichts [...] in seinem Beschluss vom 30.05.2011 hinwegsetzen, dass keine Tatsachen vorlägen, die die Eignung des Klägers zum Umgang mit Waffen in Frage stellten. - Im gerichtlichen Verfahren versuche die Beklagte die Eignungszweifel auch damit zu begründen, dass er bei der strafrechtlichen Beschuldigtenvernehmung nach der Durchsuchung am 11.11.2010 seine persönliche Lebenssituation selbst als schwierig bezeichnet und außerdem erklärt habe, er fühle sich nicht sehr wohl, weil Erinnerungen bezüglich Scheidung und Trennung sowie über seine berufliche Situation und weitere Enttäuschungen wieder hochkämen, über die er nicht reden wolle. Die Beklagte verkenne dabei, dass diese Äußerungen im unmittelbaren Anschluss an die sehr belastende Hausdurchsuchung gefallen seien. - Erstmals im gerichtlichen Verfahren habe die Beklagte auch unter Berufung auf das Schreiben der Polizeidirektion [...] vom 11.11.2010 behauptet, er befinde sich bereits seit längerer Zeit aufgrund psychosomatischer Indikation in ärztlicher Behandlung, insbesondere seit seine Freundin ihn verlassen habe. Beide Behauptungen seien unwahr. Negative Erlebnisse gehörten im Übrigen zum Leben und könnten - wenn nicht besondere Umstände hinzuträten - keine Eignungszweifel begründen. - Soweit die Beklagte ihre Weigerung zur Herausgabe der Waffen auch auf § 33 Abs. 1 PolG stütze, verkenne sie, dass eine Beschlagnahme nach Abs. 4 der genannten Bestimmung nicht länger als sechs Monate aufrechterhalten werden dürfe. Der Besitz des erlaubnisfreien Vorderladergewehrs könne nur durch ein waffenrechtliches Verbot nach § 41 Abs. 1 WaffG untersagt werden. Ohnehin dürfte die Sicherstellung der Waffen zur Voraussetzung haben, dass zuvor die waffenrechtliche Erlaubnis aufgehoben worden ist.
- [16]
- Mit Verfügung vom 11.09.2012 hat die Beklagte die Waffenbesitzkarten Nr. [...], Nr. [...] und Nr. [...] sowie den Europäischen Feuerwaffenpass des Klägers gestützt auf § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG widerrufen und angeordnet, dass sie bis zum 30.09.2012 an die Beklagte zurückzugeben sind. Weiterhin hat die Beklagte in der Verfügung vom 11.09.2012 ausgeführt, dass die unter Nr. II der Verfügung vom 06.06.2011 angeordnete Sicherstellung der Waffen des Klägers bis zur Vorlage des dort geforderten Gutachtens angeordnet bleibe.
- [17]
- Am 19.09.2012 hat der Kläger im vorliegenden Verfahren auch gegen die Verfügung vom 11.09.2012 Klage erhoben.
- [18]
- Der Kläger beantragt, die Verfügungen der Beklagten vom 06.06.2011 und vom 11.09.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, folgende Waffen und waffenrechtlichen Erlaubnisse an den Kläger herauszugeben:
- [19]
- 1. Ordonanzpistole, Sig Sauer, Kal. 9 mm., Herstellungs-Nr.: [...]
- [20]
- 2. Selbstladegewehr, Molot, Kal. 308, Herstellungs-Nr.: [...]
- [21]
- 3. Dienstrevolver, Smith & Wesson, Kal. 357 Magnum, Herstellungs-Nr.: [...]
- [22]
- 4. Selbstladegewehr, Heckler & Koch, Kaliber 223 Remington, HerstellungsNr. [...]
- [23]
- 5. KK-Gewehr, Anschütz, Kal. 22 l.r., Herstellungs-Nr.: [...]
- [24]
- 6. Repetiergewehr, Hämmerle, Kal. 22 l.r., Herstellungs-Nr.: [...]
- [25]
- 7. Repetiergewehr, Kal. 30/30, Marlin, Herstellungs-Nr.: [...]
- [26]
- 8. KK-Gewehr, Anschütz, Kal. 22 l.r., Herstellungs-Nr.: [...]
- [27]
- 9. KK-Gewehr, Voere, Kal. 22.l.r., Herstell-Nr.: [...]
- [28]
- 10. Vorderladergewehr, Dikar, Kal. 45, Herstellungs-Nr.: [...]
- [29]
- 11. Waffenbesitzkarte-Nr.: [...]
- [30]
- 12. Waffenbesitzkarte-Nr.: [...]
- [31]
- 13. Waffenbesitzkarte-Nr.: [...]
- [32]
- 14. Europäischer Feuerwaffenpass
- [33]
- 15. Erlaubnis nach § 27 Sprengstoffgesetz.
- [34]
- Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
- [35]
- Zur Begründung wiederholt sie die Argumente aus den streitigen Verfügungen.
- [36]
- Ergänzend trägt sie vor, dass der Beschluss des Oberlandesgerichts [...] dem Erlass der streitigen Verfügung schon deshalb nicht entgegenstehe, weil es jeweils um den Schutz unterschiedlicher Rechtsgüter gehe. Das Oberlandesgericht [...] habe nur entschieden, dass der Eingriff in das Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG nicht gerechtfertigt gewesen sei. Der Beklagten gehe es darum, solche Gefahren abzuwehren, die wegen der fehlenden Eignung des Klägers zum Umgang mit Schusswaffen drohen könnten.
- [37]
- Dem Gericht liegen die Akten der Beklagten (drei Hefte) und die Akte des Amtsgerichts [...] vor. Darauf sowie auf die Gerichtsakte wird ergänzend verwiesen.
»ENDE DES DOKUMENTAUSZUGS«
VGH München | 21 CS 15.2465 | 08.01.2016
[ECLI:DE:BAYVGH:2016:0108.21CS15.2465.0A]
LDJR 2016, 5449
V o r s p a n n
In der Verwaltungsstreitsache
- Antragsteller -
g e g e n
Freistaat Bayern [...],
- Antragsgegner -
w e g e n
Widerrufs von Waffenbesitzkarten (Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO)
hier: Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 27. Oktober 2015
erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 21. Senat, [...] ohne mündliche Verhandlung am 8. Januar 2016 folgenden Beschluss:
T e n o r
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
In Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 27. Oktober 2015 wird der Streitwert für beide Rechtszüge jeweils auf 25.750,00 Euro festgesetzt.
T a t b e s t a n d
I.
1.
- [1]
- Dem Antragsteller geht es in diesem Verfahren um die Anordnung und Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer Klage, mit der er sich gegen den Widerruf der ihm erteilten Erlaubnisse zum Erwerb und Besitz von Waffen und die dazu ergangenen Nebenentscheidungen wendet.
- [2]
- Die Kriminalpolizeiinspektion [S...] übersandte dem Landratsamt [B...] mit Schreiben vom 29. August 2015 einen polizeilichen Vorgang einschließlich eines Auszugs des vom Antragsteller gepflegten Facebook-Profils. Daraus sind (auszugsweise) Äußerungen des Antragstellers zu Medienbeiträgen sowie Bildern unter anderem wie folgt zu ersehen:
- [3]
- Zu „Passant geschlagen und getreten – Tatverdächtiger festgenommen“ äußerte der Antragsteller: „Kopftreten. Wegen einer Sonnenbrille. Beliebt bei Irakern und anderen Arschlöchern. Bewaffnet Euch.“ Die Meldung „Junge Frau entkommt sexuellem Übergriff in Jena – Jenaer Nachrichten“ kommentierte der Antragsteller mit: „Passt auf Eure Frauen und Töchter auf. Aber vor allem – bewaffnet Euch!“.
- [4]
- Zur Nachricht „Brandbrief: Marxlohs Einwohner fühlen sich ausgeliefert – Einwohner haben in einem Brandbrief die Verharmlosung der Zustände in Duisburg-Marxloh angeprangert. Die meisten von ihnen seien bereits auf offener Straße bestohlen, von Kindern angespuckt, von Frauen beschimpft und von Männern …“ schrieb der Antragsteller: „Morgen auch bei Dir. Bereite Dich schon mal darauf vor. Und bewaffne Dich.“ Einen „Kommentar zur Flüchtlingspolitik: Neuankömmlinge sind ein Geschenk des Himmels“ erwidert der Antragsteller mit: „Lasst sie kommen, kein Problem. Es darf nur kein Steuerzahlergeld mehr an sie fließen. Und die Steuerzahler müssen bewaffnet werden. Dann wird alles gut.“ Zu einem Video-Bild kommentierte der Antragsteller: „Es wiederholt sich zum zigstenmal, wird wohl auch nicht das letztem(al) gewesen sein. Bewaffnet Euch!“ Zum Bild einer Munitionslademaschine ergänzte der Antragsteller: „Muss ich haben! ☺“.
- [5]
- Das Landratsamt widerrief mit Bescheid vom 1. Oktober 2015 die dem Antragsteller erteilten Erlaubnisse zum Erwerb und Besitz von Waffen (9 Waffenbesitzkarten mit insgesamt 63 Waffen sowie Wechselsystemen) sowie eine dem Antragsteller erteilte Waffenhandelserlaubnis und traf dazugehörige Nebenentscheidungen.
- [6]
- Mit weiterem Bescheid gleichen Datums widerrief das Landratsamt eine dem Antragsteller erteilte sprengstoffrechtliche Erlaubnis.
- [7]
- Das Verwaltungsgericht Würzburg hat im Verfahren W 5 S 15.1007 mit Beschluss vom 27. Oktober 2015 hinsichtlich des Widerrufs der Waffenbesitzkarten die aufschiebende Wirkung gegen Nr. 5 des Bescheids (Androhung der Ersatzvornahme) angeordnet. Im Übrigen hat es den Eilantrag abgelehnt.
- [8]
- Dagegen richtet sich die Beschwerde. Soweit die Eilanträge wegen des Widerrufs der Waffenhandelserlaubnis und der sprengstoffrechtlichen Erlaubnis ohne Erfolg blieben, hat der Antragsteller im Verfahren 21 CS 15.2466 bzw. im Verfahren 21 CS 15.2464 Beschwerde eingelegt.
2.
»ENDE DES DOKUMENTAUSZUGS«
VG Würzburg | W 5 S 15.1009 | 27.10.2015
[ECLI:DE:VGWUERZ:2015:1027.W5S15.1009.0A]
LDJR 2015, 5465
V o r s p a n n
In der Verwaltungsstreitsache
- Antragsteller -
g e g e n
Freistaat Bayern [...],
- Antragsgegner -
w e g e n
Widerrufs einer Waffenhandelserlaubnis
hier: Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO
erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Würzburg, 5. Kammer, [...] ohne mündliche Verhandlung am 27. Oktober 2015 folgenden Beschluss:
T e n o r
Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 13. Oktober 2015 gegen Nr. 10 des Bescheids des Landratsamts [B...] vom 1. Oktober 2015 Nr. [...] wird angeordnet.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Streitwert wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.
T a t b e s t a n d
I.
1.
- [1]
- Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz in Bezug auf den Widerruf seiner Waffenhandelserlaubnis.
- [2]
- Mit Bescheid vom 1. Oktober 2015 widerrief das Landratsamt [B...] u.a. die dem Antragsteller erteilte Waffenhandelserlaubnis Nr. [...] (Nr. 6 des Bescheids) und verpflichtete den Antragsteller, die Waffenhandelserlaubnis bis spätestens 30. Oktober 2015 beim Landratsamt [B...] abzugeben (Nr. 7), die zum Zustellungszeitpunkt des Bescheids in seinem Waffenhandelsbuch aufgeführten Waffen bis spätestens 30. Oktober 2015 entweder an einen Berechtigten zu überlassen, unbrauchbar machen zu lassen oder zur Vernichtung an das Landratsamt [B...] abzugeben (Nr. 8) sowie die Erledigung der mit Nr. 8 auferlegten Verpflichtung dem Landratsamt [B...] innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen (Nr. 9); für den Fall des fruchtlosen Ablaufs der Fristen der Nrn. 7 bis 9 wurde die Einziehung der Waffenhandelserlaubnis, des Waffenhandelsbuchs sowie die Sicherstellung der Waffen „im Wege der Ersatzvornahme“ angedroht (Nr. 10). Die sofortige Vollziehung der Nrn. 7 und 8 des Bescheids wurde angeordnet (Nr. 11).
- [3]
- Das Landratsamt [B...] stützte den Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse auf § 45 Abs. 2 Satz 1, § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und c sowie § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b WaffG. Auf den weiteren Inhalt des Bescheids, der dem Antragsteller laut Postzustellungsurkunde am 6. Oktober 2015 zugestellt wurde, wird Bezug genommen.
- [4]
- Am 13. Oktober 2015 ließ der Antragsteller bei Gericht im Verfahren W 5 K 15.1008 Klage erheben und zugleich sinngemäß beantragen, die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich Nrn. 7 und 8 des Bescheids wiederherzustellen und hinsichtlich Nrn. 6, 9 und 10 des Bescheids anzuordnen.
- [5]
- Zur Begründung wurde vorgetragen, der Antragsteller betreibe ein Waffenhandelsunternehmen. Er sei gleichzeitig im Rahmen seines Geschäftsbetriebs der Vertriebsleiter für ein USamerikanisches Unternehmen, das unter der Bezeichnung „“ Waffen reinige und Waffenpflegemittel herstelle und vertreibe. Durch den Widerruf der Waffenhandelserlaubnis sei er in der Ausübung seines Berufs massiv beschränkt. Die Berufsausübung werde für ihn unmöglich.
- [6]
- Die Annahme der Unzuverlässigkeit des Antragstellers werde ausschließlich mit Äußerungen des Antragstellers auf der Internetplattform „Facebook“ begründet. Die vom Landratsamt im einzelnen herangezogenen Äußerungen rechtfertigten jedoch von vorneherein nicht die Annahme, dass der Antragsteller Schusswaffen missbräuchlich verwenden könnte oder dass er sie an Unberechtigte überlassen könnte. Der Antragsteller habe im Rahmen seines Rechts auf freie Meinungsäußerung bestimmte Vorgänge, die in den letzten Monaten mit dem Zuzug von Flüchtlingen verbunden gewesen seien, satirisch und durchaus bissig kommentiert. Die Tatsache, dass die gesamten Kommentare ironisch und als Satire gemeint gewesen seien, sei bei der gesamten Würdigung des Sachverhalts sowohl durch die Kriminalpolizeiinspektion [S...] als auch durch das Landratsamt übersehen worden. Hätte ein Kabarettist oder Satiriker diese Äußerungen auf „offener Bühne“ getätigt, würde man ihm das Recht der freien Meinungsäußerung und des Schutzes der Kunst zubilligen und nicht an die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens denken. Auf den satirischen Charakter seiner Äußerungen und Bewertungen weise der Antragsteller auf seiner Facebook-Seite hin. Zu den einzelnen Ausführungen sei Folgendes zu sagen:
- [7]
- Der Antragsteller bezeichne sich mit der Äußerung „Ich bin ein Nazi.“ als „normales arbeitendes zivilisiertes Individuum“.
- [8]
- Bereits aufgrund der Ausführungen im Entrée der Facebook-Seite sei klar, dass alle diese Äußerungen satirisch zu verstehen seien. Die vor die Klammer aller Äußerungen des Antragstellers gezogene Botschaft „Über Dich. Unterstelle keinen Vorsatz, wenn es mit Dummheit ausreichend erklärt ist.
- [9]
- Diese vorherrschende Dummheit meiner Zeitgenossen ist für mich nur mit Satire und Sarkasmus zu ertragen, insoweit sind meine Beiträge auf Facebook und anderswo auch als Satire zu verstehen und nichts anderes hineinzuinterpretieren.“ sei zum Verständnis dieser Äußerungen erforderlich. Die Äußerungen des Antragstellers seien nicht so gemeint und bei verständiger Würdigung auch nicht so zu verstehen, wie das Landratsamt sie bewerte.
- [10]
- Dies sei an zwei Fällen zu erläutern:
- [11]
- Der Antragsteller habe von der Internetpräsenz der Tageszeitung „Die Welt“ das veröffentlichte Foto und die Nachricht übernommen „Ramelow will Flüchtlinge nach Ethnien trennen“ und hierzu geäußert: „Ramelow ist ein dreckiger Rassist“. Die Trennung der Bevölkerung nach Ethnien, verbunden mit entsprechenden Folgemaßnahmen, könne nach Auffassung des Antragstellers durchaus als Rassismus bewertet werden.
- [12]
- Die Erläuterungen des Antragstellers im Anhörungsverfahren zu seiner Äußerung „Lasst sie kommen. Kein Problem. Es darf nur kein Steuergeld mehr an sie fließen. Die Steuerzahler müssen bewaffnet werden. Dann wird alles gut“ würden vom Landratsamt zwar zitiert, bei deren Bewertung werde aber der ironische Charakter übersehen.
- [13]
- Die Äußerungen des Antragstellers seien vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Sie hätten keinen volksverhetzenden oder sonst seine Zuverlässigkeit diskreditierenden Hintergrund. Die Kriminalpolizeiinspektion [S...] habe bei ihrer gesamten Recherche zwar einzelne Äußerungen des Antragstellers zusammengestellt, habe es jedoch unterlassen, den Eingang zu der Facebook-Seite, in dem der satirische Charakter aller Äußerungen dargestellt worden sei, ebenfalls dem Landratsamt zugänglich zu machen. Wäre das Ermittlungsverfahren mit der gebotenen Sorgfalt geführt worden, hätte auch das Landratsamt erkennen können und müssen, dass in der Person des Antragstellers keine wie auch immer gearteten Zweifel an seiner demokratischen Gesinnung bestehen könnten. Davon abgesehen seien in der Person des Antragstellers auch keine Gründe gegeben, die im Sinne von § 5 Abs. 1 oder 2 WaffG die Annahme seiner Unzuverlässigkeit rechtfertigen würden.
- [14]
- Auf den weiteren Inhalt der Antragsbegründung wird Bezug genommen.
- [15]
- Demgegenüber beantragte das Landratsamt [B...] für den Antragsgegner, den Antrag abzulehnen.
- [16]
- Zur Begründung wurde auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid verwiesen.
- [17]
- Die einschlägigen Behördenakten lagen vor. Die Verfahrensakten W 5 K 15.1003, W 5 K 15.1006, W 5 K 15.1008, W 5 S 15.1005, W 5 S 15.1007 wurden beigezogen.
2.
3.
4.
»ENDE DES DOKUMENTAUSZUGS«
VG Würzburg | W 5 S 15.1005 | 27.10.2015
[ECLI:DE:VGWUERZ:2015:1027.W5S15.1005.0A]
LDJR 2015, 5684
V o r s p a n n
In der Verwaltungsstreitsache
- Antragsteller -
g e g e n
Landratsamt Bad Kissingen [...],
- Antragsgegner -
w e g e n
Widerrufs einer sprengstoffrechtlichen Erlaubnis
hier: Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO
erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Würzburg, 5. Kammer, [...] ohne mündliche Verhandlung am 27. Oktober 2015 folgenden Beschluss:
T e n o r
Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 13. Oktober 2015 gegen Nr. 5 des Bescheids des Landratsamts Bad Kissingen vom 1. Oktober 2015 Nr. [...] wird angeordnet.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
T a t b e s t a n d
I.
1.
- [1]
- Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz in Bezug auf den Widerruf seiner sprengstoffrechtlichen Erlaubnis.
- [2]
- Mit Bescheid vom 1. Oktober 2015 widerrief das Landratsamt Bad Kissingen die dem Antragsteller erteilte sprengstoffrechtliche Erlaubnis (Nr. 1 des Bescheids) und verpflichtete den Antragsteller, die sprengstoffrechtliche Erlaubnis beim Landratsamt Bad Kissingen abzugeben (Nr. 2), sämtlichen in seinem Besitz befindlichen Sprengstoff bis spätestens 30. Oktober 2015 an einen Berechtigten zu überlassen (Nr. 3), sowie die Erledigung der mit Nr. 3 auferlegten Verpflichtung dem Landratsamt Bad Kissingen innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen (Nr. 4); für den Fall des fruchtlosen Ablaufs der Fristen der Nrn. 2 bis 4 wurde die Einziehung der sprengstoffrechtlichen Erlaubnis sowie die Sicherstellung des im Besitz des Antragstellers befindlichen Sprengstoffs „im Wege der Ersatzvornahme“ angedroht (Nr. 5). Die sofortige Vollziehung der Nrn. 2 und 3 des Bescheids wurde angeordnet (Nr. 6).
- [3]
- Das Landratsamt Bad Kissingen stützte den Widerruf der sprengstoffrechtlichen Erlaubnis auf § 34 Abs. 2 Satz 1, § 8a Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a SprengG sowie § 8a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b SprengG. Auf den weiteren Inhalt des Bescheids, der dem Antragsteller laut Postzustellungsurkunde am 6. Oktober 2015 zugestellt wurde, wird Bezug genommen.
- [4]
- Am 13. Oktober 2015 ließ der Antragsteller bei Gericht im Verfahren W 5 K 15.1003 Klage erheben und zugleich sinngemäß beantragen, die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich Nrn. 2 und 3 des Bescheids wiederherzustellen und hinsichtlich Nrn. 1, 4 und 5 des Bescheids anzuordnen.
- [5]
- Zur Begründung wurde vorgetragen, die Annahme der Unzuverlässigkeit des Antragstellers werde ausschließlich mit Äußerungen des Antragstellers auf der Internetplattform „Facebook“ begründet. Die vom Landratsamt im einzelnen herangezogenen Äußerungen rechtfertigten jedoch von vorneherein nicht die Annahme, dass der Antragsteller Schusswaffen missbräuchlich verwenden könnte oder dass er sie an Unberechtigte überlassen könnte. Der Antragsteller habe im Rahmen seines Rechts auf freie Meinungsäußerung bestimmte Vorgänge, die in den letzten Monaten mit dem Zuzug von Flüchtlingen verbunden gewesen seien, satirisch und durchaus bissig kommentiert. Die Tatsache, dass die gesamten Kommentare ironisch und als Satire gemeint gewesen seien, sei bei der gesamten Würdigung des Sachverhalts sowohl durch die Kriminalpolizeiinspektion Schweinfurt als auch durch das Landratsamt übersehen worden. Hätte ein Kabarettist oder Satiriker diese Äußerungen auf „offener Bühne“ getätigt, würde man ihm das Recht der freien Meinungsäußerung und des Schutzes der Kunst zubilligen und nicht an die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens denken. Auf den satirischen Charakter seiner Äußerungen und Bewertungen weise der Antragsteller auf seiner Facebook-Seite hin. Zu den einzelnen Ausführungen sei Folgendes zu sagen:
- [6]
- Der Antragsteller bezeichne sich mit der Äußerung „Ich bin ein Nazi.“ als „normales arbeitendes zivilisiertes Individuum“.
- [7]
- Bereits aufgrund der Ausführungen im Entrée der Facebook-Seite sei klar, dass alle diese Äußerungen satirisch zu verstehen seien. Die vor die Klammer aller Äußerungen des Antragstellers gezogene Botschaft „Über Dich.
- [8]
- Unterstelle keinen Vorsatz, wenn es mit Dummheit ausreichend erklärt ist.
- [9]
- Diese vorherrschende Dummheit meiner Zeitgenossen ist für mich nur mit Satire und Sarkasmus zu ertragen, insoweit sind meine Beiträge auf Facebook und anderswo auch als Satire zu verstehen und nichts anderes hineinzuinterpretieren.“ sei zum Verständnis dieser Äußerungen erforderlich. Die Äußerungen des Antragstellers seien nicht so gemeint und bei verständiger Würdigung auch nicht so zu verstehen, wie das Landratsamt sie bewerte.
- [10]
- Dies sei an zwei Fällen zu erläutern:
- [11]
- Der Antragsteller habe von der Internetpräsenz der Tageszeitung „Die Welt“ das veröffentlichte Foto und die Nachricht übernommen „Ramelow will Flüchtlinge nach Ethnien trennen“ und hierzu geäußert: „Ramelow ist ein dreckiger Rassist“. Die Trennung der Bevölkerung nach Ethnien, verbunden mit entsprechenden Folgemaßnahmen, könne nach Auffassung des Antragstellers durchaus als Rassismus bewertet werden.
- [12]
- Die Erläuterungen des Antragstellers im Anhörungsverfahren zu seiner Äußerung „Lasst sie kommen. Kein Problem. Es darf nur kein Steuergeld mehr an sie fließen. Die Steuerzahler müssen bewaffnet werden. Dann wird alles gut“ würden vom Landratsamt zwar zitiert, bei deren Bewertung werde aber der ironische Charakter übersehen.
- [13]
- Die Äußerungen des Antragstellers seien vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Sie hätten keinen volksverhetzenden oder sonst seine Zuverlässigkeit diskreditierenden Hintergrund. Die Kriminalpolizeiinspektion Schweinfurt habe bei ihrer gesamten Recherche zwar einzelne Äußerungen des Antragstellers zusammengestellt, habe es jedoch unterlassen, den Eingang zu der Facebook-Seite, in dem der satirische Charakter aller Äußerungen dargestellt worden sei, ebenfalls dem Landratsamt zugänglich zu machen. Wäre das Ermittlungsverfahren mit der gebotenen Sorgfalt geführt worden, hätte auch das Landratsamt erkennen können und müssen, dass in der Person des Antragstellers keine wie auch immer gearteten Zweifel an seiner demokratischen Gesinnung bestehen könnten. Davon abgesehen seien in der Person des Antragstellers auch keine Gründe gegeben, die die Annahme seiner Unzuverlässigkeit rechtfertigen würden.
- [14]
- Auf den weiteren Inhalt der Antragsbegründung wird Bezug genommen.
- [15]
- Demgegenüber beantragte das Landratsamt Bad Kissingen für den Antragsgegner, den Antrag abzulehnen.
- [16]
- Zur Begründung wurde auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid verwiesen.
- [17]
- Die einschlägigen Behördenakten lagen vor. Die Verfahrensakten W 5 K 15.1003, W 5 K 15.1006, W 5 K 15.1008, W 5 S 15.1007, W 5 S 15.1009 wurden beigezogen.
2.
3.
4.
»ENDE DES DOKUMENTAUSZUGS«
VG Würzburg | W 5 K 15.1008 | 23.06.2016
[ECLI:DE:VGWUERZ:2016:0623.W5K15.1008.0A]
LDJR 2016, 7054
V o r s p a n n
In der Verwaltungsstreitsache
- Kläger -
g e g e n
Landratsamt [...],
- Beklagter -
w e g e n
Widerrufs einer Waffenhandelserlaubnis
erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Würzburg, 5. Kammer, [...] aufgrund mündlicher Verhandlung am 23. Juni 2016 folgendes Urteil:
T e n o r
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d
1.
- [1]
- Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Waffenhandelserlaubnis.
- [2]
- Die Kriminalpolizeiinspektion [S...] übersandte dem Landratsamt [B...] mit Schreiben vom 29. August 2015 einen polizeilichen Vorgang einschließlich eines Auszugs des vom Kläger gepflegten Facebook-Profils. Daraus sind (auszugsweise) Äußerungen des Klägers zu Medienbeiträgen sowie Bildern unter anderem wie folgt zu ersehen:
- [3]
- Zu „Passant geschlagen und getreten – Tatverdächtiger festgenommen“ äußerte der Kläger: „Kopftreten. Wegen einer Sonnenbrille. Beliebt bei Irakern und anderen Arschlöchern. Bewaffnet Euch.“ Die Meldung „Junge Frau entkommt sexuellem Übergriff in Jena – Jenaer Nachrichten“ kommentierte der Kläger mit: „Passt auf Eure Frauen und Töchter auf. Aber vor allem – bewaffnet Euch!“ Zur Nachricht „Brandbrief: Marxlohs Einwohner fühlen sich ausgeliefert – Einwohner haben in einem Brandbrief die Verharmlosung der Zustände in Duisburg-Marxloh angeprangert. Die meisten von ihnen seien bereits auf offener Straße bestohlen, von Kindern angespuckt, von Frauen beschimpft und von Männern…“ schrieb der Kläger: „Morgen auch bei Dir. Bereite Dich schon mal darauf vor. Und bewaffne Dich.“ Einen „Kommentar zur Flüchtlingspolitik: Neuankömmlinge sind ein Geschenk des Himmels“ erwiderte der Kläger mit: „Lasst sie kommen, kein Problem. Es darf nur kein Steuerzahlergeld mehr an sie fließen. Und die Steuerzahler müssen bewaffnet werden. Dann wird alles gut.“ Zu einem Video-Bild kommentierte der Kläger: „Es wiederholt sich zum –zigstenmal, wird wohl auch nicht das letztem(al) gewesen sein. Bewaffnet Euch!“ Zum Bild einer Munitionslademaschine ergänzte der Kläger: „Muss ich haben! ☺“.
- [4]
- Mit Bescheid vom 1. Oktober 2015 (Az. 1351-30-2015WBKKM) widerrief das Landratsamt [B...] u.a. die dem Kläger erteilte Waffenhandelserlaubnis Nr. 6/14 (Nr. 6 des Bescheids) und verpflichtete den Kläger, die Waffenhandelserlaubnis bis spätestens 30. Oktober 2015 beim Landratsamt [B...] abzugeben (Nr. 7), die zum Zustellungszeitpunkt des Bescheids in seinem Waffenhandelsbuch aufgeführten Waffen bis spätestens 30. Oktober 2015 entweder an einen Berechtigten zu überlassen, unbrauchbar machen zu lassen oder zur Vernichtung an das Landratsamt [B...] abzugeben (Nr. 8) sowie die Erledigung der mit Nr. 8 auferlegten Verpflichtung dem Landratsamt [B...] innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen (Nr. 9); für den Fall des fruchtlosen Ablaufs der Fristen der Nrn. 7 bis 9 wurde die Einziehung der Waffenhandelserlaubnis, des Waffenhandelsbuchs sowie die Sicherstellung der Waffen „im Wege der Ersatzvornahme“ angedroht (Nr. 10). Die sofortige Vollziehung der Nrn. 7 und 8 des Bescheids wurde angeordnet (Nr. 11). Für den Bescheid wurden eine Gebühr in Höhe von 1.720,00 EUR festgesetzt und Auslagen in Höhe von 3,45 EUR erhoben (Nr. 12).
- [5]
- Das Landratsamt [B...] stützte den Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis auf § 45 Abs. 2 Satz 1, § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und c sowie § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b WaffG. Auf den weiteren Inhalt des Bescheids, der dem Kläger laut Postzustellungsurkunde am 6. Oktober 2015 zugestellt wurde, wird Bezug genommen.
- [6]
- Am 13. Oktober 2015 ließ der Kläger Klage erheben und sinngemäß beantragen, Nrn. 6 bis 10 des Bescheids des Landratsamts [B...] vom 1. Oktober 2015 (Az. 1351-30-2015WBKKM) und Nr. 12 dieses Bescheids – soweit sich diese auf Nrn. 6 bis 10 bezieht – aufzuheben.
- [7]
- Zur Begründung wurde vorgetragen, der Kläger betreibe ein Waffenhandelsunternehmen. Er sei gleichzeitig im Rahmen seines Geschäftsbetriebs der Vertriebsleiter für ein USamerikanisches Unternehmen, das unter der Bezeichnung „T-“ Waffen reinige und Waffenpflegemittel herstelle und vertreibe. Durch den Widerruf der Waffenhandelserlaubnis sei er in der Ausübung seines Berufs massiv beschränkt. Die Berufsausübung werde für ihn unmöglich.
- [8]
- Die Annahme der Unzuverlässigkeit des Klägers werde ausschließlich mit Äußerungen des Klägers auf der Internetplattform „Facebook“ begründet. Die vom Landratsamt im einzelnen herangezogenen Äußerungen rechtfertigten jedoch von vorneherein nicht die Annahme, dass der Kläger Schusswaffen missbräuchlich verwenden könnte oder dass er sie an Unberechtigte überlassen könnte. Der Kläger habe im Rahmen seines Rechts auf freie Meinungsäußerung bestimmte Vorgänge, die in den letzten Monaten mit dem Zuzug von Flüchtlingen verbunden gewesen seien, satirisch und durchaus bissig kommentiert. Die Tatsache, dass die gesamten Kommentare ironisch und als Satire gemeint gewesen seien, sei bei der gesamten Würdigung des Sachverhalts sowohl durch die Kriminalpolizeiinspektion [S...] als auch durch das Landratsamt übersehen worden. Hätte ein Kabarettist oder Satiriker diese Äußerungen auf „offener Bühne“ getätigt, würde man ihm das Recht der freien Meinungsäußerung und des Schutzes der Kunst zubilligen und nicht an die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens denken. Auf den satirischen Charakter seiner Äußerungen und Bewertungen weise der Kläger auf seiner Facebook-Seite hin. Zu den einzelnen Ausführungen sei Folgendes zu sagen:
- [9]
- Der Kläger bezeichne sich mit der Äußerung „Ich bin ein Nazi.“ als „normales arbeitendes zivilisiertes Individuum“.
- [10]
- Bereits aufgrund der Ausführungen im Entrée der Facebook-Seite sei klar, dass alle diese Äußerungen satirisch zu verstehen seien. Die vor die Klammer aller Äußerungen des Klägers gezogene Botschaft „Über Dich.
- [11]
- Unterstelle keinen Vorsatz, wenn es mit Dummheit ausreichend erklärt ist.
- [12]
- Diese vorherrschende Dummheit meiner Zeitgenossen ist für mich nur mit Satire und Sarkasmus zu ertragen, insoweit sind meine Beiträge auf Facebook und anderswo auch als Satire zu verstehen und nichts anderes hineinzuinterpretieren.“ sei zum Verständnis dieser Äußerungen erforderlich. Die Äußerungen des Klägers seien nicht so gemeint und bei verständiger Würdigung auch nicht so zu verstehen, wie das Landratsamt sie bewerte.
- [13]
- Dies sei an zwei Fällen zu erläutern:
- [14]
- Der Kläger habe von der Internetpräsenz der Tageszeitung „Die Welt“ das veröffentlichte Foto und die Nachricht übernommen „Ramelow will Flüchtlinge nach Ethnien trennen“ und hierzu geäußert: „Ramelow ist ein dreckiger Rassist“. Die Trennung der Bevölkerung nach Ethnien, verbunden mit entsprechenden Folgemaßnahmen, könne nach Auffassung des Klägers durchaus als Rassismus bewertet werden.
- [15]
- Die Erläuterungen des Klägers im Anhörungsverfahren zu seiner Äußerung „Lasst sie kommen. Kein Problem. Es darf nur kein Steuergeld mehr an sie fließen. Die Steuerzahler müssen bewaffnet werden. Dann wird alles gut“ würden vom Landratsamt zwar zitiert, bei deren Bewertung werde aber der ironische Charakter übersehen.
- [16]
- Die Äußerungen des Klägers seien vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Sie hätten keinen volksverhetzenden oder sonst seine Zuverlässigkeit diskreditierenden Hintergrund. Die Kriminalpolizeiinspektion [S...] habe bei ihrer gesamten Recherche zwar einzelne Äußerungen des Klägers zusammengestellt, habe es jedoch unterlassen, den Eingang zu der Facebook-Seite, in dem der satirische Charakter aller Äußerungen dargestellt worden sei, ebenfalls dem Landratsamt zugänglich zu machen. Wäre das Ermittlungsverfahren mit der gebotenen Sorgfalt geführt worden, hätte auch das Landratsamt erkennen können und müssen, dass in der Person des Klägers keine wie auch immer gearteten Zweifel an seiner demokratischen Gesinnung bestehen könnten. Davon abgesehen seien in der Person des Klägers auch keine Gründe gegeben, die im Sinne von § 5 Abs. 1 oder 2 WaffG die Annahme seiner Unzuverlässigkeit rechtfertigen würden.
- [17]
- Soweit der Kläger den Hinweis gegeben habe „Bewaffnet Euch“, habe er nichts anderes getan als dies nunmehr z.B. durch eine Broschüre des Oberbürgermeisters von Köln „Vergewaltigung – wie kann ich mich wehren“ geschehe, in der auf S. 37 ausgeführt werde: „Darüber hinaus gibt es noch weitere technische Möglichkeiten, sich gegen Belästigungen und Bedrohungen zu wehren: - Technische Hilfsmittel wie z.B. Reizstoffsprühgeräte und Schreckschusspistolen sind generell geeignet, einen Angriff abzuwehren…“. Der Kläger verkenne nicht, dass die Diktion seiner Ausführungen natürlich nicht so zurückhaltend gewesen sei, wie dies in dieser Informationsschrift geschehe. Er habe allerdings nicht dazu aufgerufen, legal erworbene Waffen in einer illegalen Weise anzuwenden.
- [18]
- Wenn die zuständige Behörde Bedenken gegen die persönliche Eignung eines Waffenbesitzers habe, habe sie diesem die Vorlage eines amts- oder fachärztlichen oder fachpsychologischen Zeugnisses über die geistige oder körperliche Eignung aufzugeben. Die Vorlage eines derartigen Zeugnisses sei geeignet, bestehende Bedenken auszuräumen. Eine derartige Anordnung sei jedoch bislang nicht ergangen.
- [19]
- Der Kläger habe letztlich nichts anderes getan, als auf die Möglichkeit einer legalen Bewaffnung hinzuweisen. Wie Werbeanzeigen in Bezug auf den Vertrieb von Pfefferspray zeigten, in denen die Möglichkeit auch von angreifenden Personen problematisiert werde, werde von den werbenden Firmen gerade auf die Situation abgestellt, die in Deutschland zu einem „Boom“ im Waffengeschäft geführt habe. Letztlich werde hierin zu einer Bewaffnung mit Blick auf latent bestehende Möglichkeiten eines Angriffs hingewiesen.
- [20]
- Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 6. Juni 2016 ließ der Kläger seine Klagebegründung wiederholen und vertiefen. U.a. ließ er vortragen, seine Äußerungen hätten nur im Zusammenhang mit bestimmten Vorfällen gestanden, bei denen unter Berücksichtigung des Notwehrrechts der Einsatz von legalen Abwehrmitteln statthaft gewesen wäre. Der Kläger ziehe insoweit einen Vergleich mit denjenigen Politikern im Bereich des Verteidigungswesens, die mit Blick auf eine geänderte Einsatz- und Bedrohungslage eine Aufrüstung der Bundeswehr forderten. Die Diskussion im Fall Böhmermann/Erdogan zeige, dass bestimmte Äußerungen von einem Teil der Bevölkerung als bereits strafrechtlich bedeutsam, von einem anderen Teil als zulässige Kritik bewertet würden. Soweit der Kläger mit seinen Äußerungen Politiker angegriffen habe, sei dies als Reaktion auf dortige Äußerungen zu sehen und vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Die unkontrollierte Einreise von Flüchtlingen könne zu einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit führen. Die Verbindung der klägerischen Äußerungen einerseits mit dem legalen Waffenbesitz andererseits führe dazu, dass jemand, der in Deutschland legal Waffen besitze, künftig von seinem Recht auf Meinungsäußerung keinen Gebrauch machen sollte. Der Widerruf der Waffenhandelserlaubnis führe dazu, dass die wirtschaftliche Existenz des Klägers auf Dauer gefährdet sei. Er habe nicht unerhebliche Ausgaben für seinen Unterhalt und insbesondere auch im Rahmen der Immobilienfinanzierung zu tätigen. Der Kläger sei in strafrechtlicher Hinsicht gänzlich unbescholten und habe zu keinem Zeitpunkt dazu aufgerufen, Schusswaffen einzusetzen. Er verabscheue jegliche Gewaltanwendung. Soweit dem Kläger unterstellt werde, er habe eine Aversion gegen Flüchtlinge, lege er Wert auf die Feststellung, dass seine Ehefrau Tochter eines Flüchtlings sei und Freunde Flüchtling oder Ausländer seien. Im Übrigen werde auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 25. September 2012 (3 K 1305/11) verwiesen.
- [21]
- Auf den weiteren Inhalt der Klagebegründung wird Bezug genommen.
- [22]
- Demgegenüber beantragte das Landratsamt [B...] für den Beklagten, Nr. 10 des Bescheids des Landratsamts [B...] (Az. 1351-30-2015 WBKKM) vom 1. Oktober 2015 aufzuheben und die Klage im Übrigen abzuweisen.
- [23]
- Zur Begründung wurde im Wesentlichen auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid verwiesen und weiterhin ausgeführt, der Kläger habe bei seinen letzten Anträgen als Beruf „Rentner“ angegeben, so dass davon auszugehen sei, dass der Waffenhandel vom Kläger im Nebenerwerb betrieben werde. Im Hinblick auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts Würzburg im Beschluss vom 27. Oktober 2015 (W 5 S 15.1009) werde die Aufhebung der Nr. 10 des streitgegenständlichen Bescheids beantragt.
- [24]
- Auf die Ergänzung der Klageerwiderung im Schreiben des Landratsamts [B...] vom 14. Juni 2016 wird Bezug genommen.
- [25]
- Mit Beschluss vom 27. Oktober 2015 (W 5 S 15.1009) ordnete das Verwaltungsgericht Würzburg die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Nr. 10 des Bescheids des Landratsamts [B...] vom 1. Oktober 2015 (Az. 1351-30-2015WBKKM) an und wies den gleichzeitig mit der Klage gestellten Eilantrag im Übrigen ab. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Klägers wies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 8. Januar 2016 zurück (21 CS 15.2466).
- [26]
- In der mündlichen Verhandlung am 23. Juni 2016 erklärte der Beklagtenvertreter, dass Nr. 10 des Bescheids vom 1. Oktober 2015 Nr. 1351302015WBKKM aufgehoben wird. Daraufhin erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit insoweit für erledigt und das Gericht stellte das Verfahren ein, soweit es Nr. 10 des Bescheids vom 1. Oktober 2015 Nr. 1351-302015WBKKM betraf.
- [27]
- Der Klägerbevollmächtigte beantragte, Nrn. 6 bis 9 des Bescheids des Landratsamts [B...] vom 1. Oktober 2015 Nr. 1351-302015WBKKM und die Nr. 12 dieses Bescheids – soweit sie sich auf die Nrn. 6 bis 9 bezieht – aufzuheben.
- [28]
- Der Beklagtenvertreter beantragte Klageabweisung.
- [29]
- Wegen des weiteren Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
- [30]
- Die einschlägigen Behördenakten lagen vor. Die Verfahrensakten W 5 S 15.1005, W 5 S 15.1007, W 5 S 15.1009, W 5 K 15.1003 und W 5 K 15.1006 wurden beigezogen.
2.
3.
4.
5.
6.
»ENDE DES DOKUMENTAUSZUGS«
VG Würzburg | W 5 S 15.1007 | 27.10.2015
[ECLI:DE:VGWUERZ:2015:1027.W5S15.1007.0A]
LDJR 2015, 5464
V o r s p a n n
In der Verwaltungsstreitsache
- Antragsteller -
g e g e n
Freistaat Bayern [...],
- Antragsgegner -
w e g e n
Widerrufs von Waffenbesitzkarten
hier: Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO
erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Würzburg, 5. Kammer, [...] ohne mündliche Verhandlung am 27. Oktober 2015 folgenden Beschluss:
T e n o r
Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 13. Oktober 2015 gegen Nr. 5 des Bescheids des Landratsamts [B...] vom 1. Oktober 2015 Nr. [...] wird angeordnet.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Streitwert wird auf 19.000,00 EUR festgesetzt.
T a t b e s t a n d
I.
1.
- [1]
- Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz in Bezug auf den Widerruf seiner Waffenbesitzkarten.
- [2]
- Mit Bescheid vom 1. Oktober 2015 widerrief das Landratsamt [B...] u.a. die dem Antragsteller erteilten Waffenbesitzkarten Nrn. [...] (Nr. 1 des Bescheids) und verpflichtete den Antragsteller, die Waffenbesitzkarten bis spätestens 30. Oktober 2015 beim Landratsamt [B...] abzugeben (Nr. 2), die in der Anlage zum Bescheid aufgeführten Waffen bis spätestens 30. Oktober 2015 entweder an einen Berechtigten zu überlassen, unbrauchbar machen zu lassen oder zur Vernichtung an das Landratsamt [B...] abzugeben (Nr. 3) sowie die Erledigung der mit Nr. 3 auferlegten Verpflichtung dem Landratsamt [B...] innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen (Nr. 4); für den Fall des fruchtlosen Ablaufs der Fristen der Nrn. 2 bis 4 wurde die Einziehung der Waffenbesitzkarten sowie die Sicherstellung der Waffen „im Wege der Ersatzvornahme“ angedroht (Nr. 5). Die sofortige Vollziehung der Nrn. 2 und 3 des Bescheids wurde angeordnet (Nr. 11).
- [3]
- Das Landratsamt [B...] stützte den Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse auf § 45 Abs. 2 Satz 1, § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und c sowie § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b WaffG. Auf den weiteren Inhalt des Bescheids, der dem Antragsteller laut Postzustellungsurkunde am 6. Oktober 2015 zugestellt wurde, wird Bezug genommen.
- [4]
- Am 13. Oktober 2015 ließ der Antragsteller bei Gericht im Verfahren W 5 K 15.1006 Klage erheben und zugleich sinngemäß beantragen, die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich Nrn. 2 und 3 des Bescheids wiederherzustellen und hinsichtlich Nrn. 1, 4 und 5 des Bescheids anzuordnen.
- [5]
- Zur Begründung wurde vorgetragen, der Antragsteller übe seit über 40 Jahren regelmäßig den Schießsport aus und verfüge hier über erhebliche Erfolge. Im Jahr 2013 habe er den Titel eines Deutschen Meisters in der Disziplin „Standardpistole“ errungen. Die Annahme der Unzuverlässigkeit des Antragstellers werde ausschließlich mit Äußerungen des Antragstellers auf der Internetplattform „Facebook“ begründet. Die vom Landratsamt im einzelnen herangezogenen Äußerungen rechtfertigten jedoch von vorneherein nicht die Annahme, dass der Antragsteller Schusswaffen missbräuchlich verwenden könnte oder dass er sie an Unberechtigte überlassen könnte. Der Antragsteller habe im Rahmen seines Rechts auf freie Meinungsäußerung bestimmte Vorgänge, die in den letzten Monaten mit dem Zuzug von Flüchtlingen verbunden gewesen seien, satirisch und durchaus bissig kommentiert. Die Tatsache, dass die gesamten Kommentare ironisch und als Satire gemeint gewesen seien, sei bei der gesamten Würdigung des Sachverhalts sowohl durch die Kriminalpolizeiinspektion [S...] als auch durch das Landratsamt übersehen worden. Hätte ein Kabarettist oder Satiriker diese Äußerungen auf „offener Bühne“ getätigt, würde man ihm das Recht der freien Meinungsäußerung und des Schutzes der Kunst zubilligen und nicht an die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens denken. Auf den satirischen Charakter seiner Äußerungen und Bewertungen weise der Antragsteller auf seiner Facebook-Seite hin. Zu den einzelnen Ausführungen sei Folgendes zu sagen:
- [6]
- Der Antragsteller bezeichne sich mit der Äußerung „Ich bin ein Nazi.“ als „normales arbeitendes zivilisiertes Individuum“.
- [7]
- Bereits aufgrund der Ausführungen im Entrée der Facebook-Seite sei klar, dass alle diese Äußerungen satirisch zu verstehen seien. Die vor die Klammer aller Äußerungen des Antragstellers gezogene Botschaft „Über Dich. Unterstelle keinen Vorsatz, wenn es mit Dummheit ausreichend erklärt ist.
- [8]
- Diese vorherrschende Dummheit meiner Zeitgenossen ist für mich nur mit Satire und Sarkasmus zu ertragen, insoweit sind meine Beiträge auf Facebook und anderswo auch als Satire zu verstehen und nichts anderes hineinzuinterpretieren.“ sei zum Verständnis dieser Äußerungen erforderlich. Die Äußerungen des Antragstellers seien nicht so gemeint und bei verständiger Würdigung auch nicht so zu verstehen, wie das Landratsamt sie bewerte.
- [9]
- Dies sei an zwei Fällen zu erläutern:
- [10]
- Der Antragsteller habe von der Internetpräsenz der Tageszeitung „Die Welt“ das veröffentlichte Foto und die Nachricht übernommen „Ramelow will Flüchtlinge nach Ethnien trennen“ und hierzu geäußert: „Ramelow ist ein dreckiger Rassist“. Die Trennung der Bevölkerung nach Ethnien, verbunden mit entsprechenden Folgemaßnahmen, könne nach Auffassung des Antragstellers durchaus als Rassismus bewertet werden.
- [11]
- Die Erläuterungen des Antragstellers im Anhörungsverfahren zu seiner Äußerung „Lasst sie kommen. Kein Problem. Es darf nur kein Steuergeld mehr an sie fließen. Die Steuerzahler müssen bewaffnet werden. Dann wird alles gut“ würden vom Landratsamt zwar zitiert, bei deren Bewertung werde aber der ironische Charakter übersehen.
- [12]
- Die Äußerungen des Antragstellers seien vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Sie hätten keinen volksverhetzenden oder sonst seine Zuverlässigkeit diskreditierenden Hintergrund. Die Kriminalpolizeiinspektion [S...] habe bei ihrer gesamten Recherche zwar einzelne Äußerungen des Antragstellers zusammengestellt, habe es jedoch unterlassen, den Eingang zu der Facebook-Seite, in dem der satirische Charakter aller Äußerungen dargestellt worden sei, ebenfalls dem Landratsamt zugänglich zu machen. Wäre das Ermittlungsverfahren mit der gebotenen Sorgfalt geführt worden, hätte auch das Landratsamt erkennen können und müssen, dass in der Person des Antragstellers keine wie auch immer gearteten Zweifel an seiner demokratischen Gesinnung bestehen könnten. Davon abgesehen seien in der Person des Antragstellers auch keine Gründe gegeben, die im Sinne von § 5 Abs. 1 oder 2 WaffG die Annahme seiner Unzuverlässigkeit rechtfertigen würden.
- [13]
- Auf den weiteren Inhalt der Antragsbegründung wird Bezug genommen.
- [14]
- Demgegenüber beantragte das Landratsamt [B...] für den Antragsgegner, den Antrag abzulehnen.
- [15]
- Zur Begründung wurde auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid verwiesen.
- [16]
- Die einschlägigen Behördenakten lagen vor. Die Verfahrensakten W 5 K 15.1003, W 5 K 15.1006, W 5 K 15.1008, W 5 S 15.1005, W 5 S 15.1009 wurden beigezogen.
2.
3.
4.
»ENDE DES DOKUMENTAUSZUGS«